Unterm Messer
gut für den Magen, sondern auch fürs Gemüt.
An sich ist Speck mit Ei nicht das, was ich in der Früh brauche. Extrastarker Kaffee hat mir immer gereicht, zumindest solange ich allein gelebt habe. Inzwischen hat mir Oskar, was Frühstücken angeht, allerdings einiges beigebracht.
Der Tisch auf der Terrasse ist schon gedeckt. Wir sehen auf ein Maisfeld, dahinter Weinhügel. Lebt nicht schlecht, dieser Gerichtsmediziner.
„Wir reden nicht über den Fall, okay?“, hat er gesagt, als ich geduscht heruntergetapst bin. Heute hat es sich nach langer Zeit wieder einmal bewährt, dass ich in meiner Handtasche immer Zahnbürste, Zahnpasta und Ersatzunterwäsche habe. - Ist mir eigentlich auch lieber so, dass wir nicht darüber reden, was gestern passiert ist.
Ich esse viel zu viel und weiß bald nicht mehr, was ich sagen soll. Es gäbe Gesprächsthemen genug, aber mir spukt nur eines im Kopf herum. Ihm offenbar auch.
„Da fährst zurück nach Wien?“, fragt er dann.
„Ich weiß noch nicht. Ich will Knobloch jedenfalls die Fotos vom geheimen Labor geben, aber die kann ich auch mailen.“
„Wird nicht schaden“, ist die Antwort. Es ist kurz vor neun, der Gerichtsmediziner beginnt den Tisch abzuräumen.
„Besonders scheinen sie ihn allerdings nicht mehr zu interessieren. - Kann es sein, dass er versucht, Grünwald und seine ,Beauty Oasis‘ zu schützen? Kriegt er von irgendeiner Seite Druck?“
Karl Simatschek stellt das Tablett wieder ab und sieht mich an. „Ich hab mich das auch schon gefragt. Aber ich hab bis jetzt nie erlebt, dass er auch nur im Ansatz korrupt gewesen wäre. Vielleicht hat es sich bei unseren bisherigen gemeinsamen Fällen aber bloß nicht ergeben. — Nein. Ich glaube, er ist einer, der sich einfach an das Näherliegende hält.“
„Und du?“
„Ich hoffe, dass er recht hat.“
„Bevor du die Leiche gesehen hast, hast du eine andere Theorie gehabt. Sonst hättest du nicht gesagt, dass Vesna nicht allein im Winzerhaus übernachten soll.“
„Ihr habt mich eben mit euren Geheimlabortheorien schon ganz verrückt gemacht. Ich werde mir diesen Dr. Schilling heute ansehen. Danach weiß ich wohl eher, was ich glauben soll.“
„Kannst du dir vorstellen, dass er in der Einschicht von einer weit über siebzigjährigen Nonne überfallen wurde und sich hat erstechen lassen?“
„Ich werde aufschneiden und analysieren und messen. Das ist mein Job. Und dann überlege ich, wie es gewesen sein könnte.“
Karl fährt mich zum Häuschen im Weingarten. Er bleibt, obwohl es schon nach neun ist, neben mir, während ich die Tasche packe, er verabschiedet sich erst, als ich bei meinem Auto stehe. „Danke“, sage ich und drücke ihm einen Kuss auf die Wange. Er riecht gut, nach Speck und einem Hauch Eau de Toilette.
„Sei vorsichtig“, antwortet er. „Und wenn dir etwas seltsam vorkommt, dann melde dich. Es ist nicht so, dass ich Knobloch automatisch alles erzähle. Wenn du eine SMS schickst, in der ,Mole“ steht, dann weiß ich, dass es ernst ist.“
„Meinst du, dass noch etwas passieren kann?“
Er lacht. „Glaub ich eigentlich nicht, ich wollte dich nur daran erinnern, dass du mir noch eine echte mexikanische Schokosauce schuldest.“
[ 8. ]
Ich steige ins Auto, fahre los und weiß eigentlich nicht so recht, wohin. Vesna geht nicht ans Telefon, reagiert auch nicht auf meine SMS. Seltsam. Ich sollte nach Wien und mit Natalie Veith reden. Außerdem muss ich in die Redaktion. Ich bin sicher, dass auf einigen Bildern von der Schönheitsklinik Lkw zu sehen waren. Wir könnten die Bilder vergrößern. Vielleicht kann man das Kennzeichen lesen oder zumindest eine Werbeaufschrift. Was heute wohl in der ,Beauty Oasis‘ los ist? Der zweite Mord in so kurzer Zeit. Ich könnte natürlich auch in der Lobby einen Kaffee nehmen. Ich habe ja bloß kein Zimmer bekommen, weil keines frei war. Die Lobby ist der Bereich, der auch Gästen von auswärts offen steht. Auf dem Weg Richtung Autobahn könnte ich dann noch bei Grünwalds Fabrik vorbeischauen. Am liebsten würde ich allerdings mit Schwester Gabriela reden. Oder sitzt sie schon in Untersuchungshaft? Heute erscheint das ,Magazin‘ mit meiner Story über die tote Nonne. Es war wohl gar nicht schlecht, dass ich, wie von der Geschäftsführung gewünscht, über einen möglichen Liebhaber spekuliert habe. Was treibt mich an weiterzutun? Vielleicht der Umstand, dass ich glaube, Knobloch macht es sich zu leicht. Vielleicht das Bedürfnis, am Ende
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