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Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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starren ihn an.
    Er schüttelt den Kopf. Betroffen. Irritiert. Dann mustert er mich lange. „Du kommst bitte mit.“
    „Dann ich komme auch“, sagt Vesna.
    „Sie fahren in die ,Beauty Oasis' zurück. Sie bleiben auf keinen Fall hier.“ Es klingt nach Amtsperson.
    „Ich fahre mit. Aber ich will wissen, was los ist.“ Ich sage es so bestimmt wie möglich. Doch eigentlich ist mir klar: Es kann nur bedeuten: Ein zweiter Mord.
    „Du wirst es erfahren.“
    „Wer?“
    „Dr. Schilling.“
    Wortlos gehen wir durch die Rebzeilen, Lichtstreifen im Grün dort, wo die Taschenlampe hinleuchtet. Wortlos klettere ich in den kleinen Fiat des Gerichtsmediziners. Wortlos fährt er an. Eine Buschenschank, Einfamilienhäuser, Bauernhöfe, Straßenschilder, zwei nächtliche Radfahrer, eine Weide, Felder. Er wird langsamer, scheint etwas zu suchen. Ich bin nicht in der Lage, klare Gedanken zu fassen. Warum Schilling? Er hat das Labor geleitet. Wir haben mit ihm geredet. Am Nachmittag.
    Der Gerichtsmediziner biegt abrupt ab. Schotterstraße, einen Hügel hinauf. Weit entfernt sehe ich Lichter. Blaulicht.
    „Wir haben ihn heute getroffen“, sage ich dann.
    Simatschek sieht mich an. „Und was, wenn ihr auch dafür gesorgt habt, dass wir lange genug abgelenkt waren?“
    Ganz heiß steigt es in mir auf. Das da, das kann alles nicht wahr sein. Atme durch. Überlege. Du brauchst jetzt deinen ganzen Verstand. Deinen ganzen Mut. „Welches Motiv sollte ich haben?“
    Der Fiat rumpelt über die immer mieser werdende Straße. Plötzlich bleibt der Gerichtsmediziner stehen. „Vielleicht stehst du in einem anderen Verhältnis zu Grünwald, als wir angenommen haben, meint Knobloch.“
    Ich lache auf. Es klingt gar nicht lustig. „Sehe ich aus wie die Geliebte von Grünwald?“
    „Nein, eigentlich nicht“, sagt er dann leise. „Aber du musst ihn verstehen: Zuerst bist du dabei, als die tote Nonne gefunden wird. Dann bringst du überall Unruhe. Schleust eine Freundin in die Schönheitsklinik ein. Redest von Schilling und seinem Prozess gegen eine Kollegin.“
    „Umgekehrt“, werfe ich ein. „Sie hat ihm vorgeworfen, Forschungsergebnisse gestohlen zu haben. Er sagt, es war Rache. Sie sei damit nicht fertig geworden, dass er sie verlassen habe. Das ist allerdings schon fünf Jahre her. Und Dr. Veith scheint mir nicht gerade der Typ zu sein, der einem Mann so lange nachweint.“ Wir hätten das Gespräch mit Schilling aufnehmen sollen. Was hat er uns erzählt? Warum haben wir ihn nicht auf das geheime Labor angesprochen? Er war loyal gegenüber Grünwald. Okay, er war sein Forschungschef. Er hat jedenfalls zugegeben, dass er, so nebenbei, auch über genetische Methoden zur Lebensverlängerung geforscht hat. Und er hat etwas über den Wurm seiner Kollegin gesagt. Ja, dass er zu klein sei, eine zu einfache Lebensform, um damit einen Durchbruch zu erzielen. Mäuse seien besser. Aber die sind verschwunden. Hat er davon gewusst? Hat er den Abtransport begleitet? Wem ist er gefährlich geworden?
    Karl Simatschek fährt wieder los. Als wir über ein Schlagloch holpern, stoße ich mit dem Kopf ans Autodach. Wir nähern uns den Lichtern. Drei Polizeiwagen. Ein Rettungswagen. — Ist Schilling womöglich gar nicht tot? Quatsch, dann hätten sie wohl kaum den Gerichtsmediziner angerufen. Hoffentlich hat Vesna daran gedacht, meinen Laptop mit den Fotos mitzunehmen. Warum wollte Simatschek nicht, dass sie im Weingartenhaus bleibt? Glaubt er, dass wir in Gefahr sind? Unsinn. Ob auch er mich verdächtigt? Ich weiß es nicht. Ich hab ihn so sympathisch gefunden. Sollte mir die dumme Emotionalität endlich abgewöhnen. Er gehört zum Polizeiapparat und genau so wird er sich ab jetzt benehmen. Ist bloß professionell. Trotzdem. Ich sehe ihn verstohlen von der Seite an. Seine halblangen braun-grauen Locken, das markante Gesicht, das sonst meist diesen freundlich-ironischen Ausdruck trägt. Er ist einer, der nicht nur über andere, sondern auch über sich selbst lachen kann. Von Lachen ist momentan allerdings keine Rede. Von Freundlichkeit auch nicht. Sollten Schwule nicht ein wenig einfühlsamer sein? Er müsste merken, dass ich mit dem Fall nichts zu tun habe. Idiotisches Vorurteil: Warum sollten Schwule einfühlsamer sein?
    Die letzten Meter ist der Wagen eher den Weg hinaufgeklettert als -gefahren. „Warum schaust du so?“, sagt Simatschek und sieht weiter konzentriert geradeaus.
    „Ich dachte, ich mag dich“, sage ich und es klingt einfach

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