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Unterm Strich

Unterm Strich

Titel: Unterm Strich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peer Steinbrück
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Regierungsprogramm der SPD zur Bundestagswahl vom Juni 2009 Annäherungsversuche, mit denen sie der Vaterschaft von Agenda 2010 und Hartz IV schrittweise abschwor. Gleichzeitig entfernte sie sich damit aber von denjenigen, die von ihr die Kraft und den Mut erwarteten, das Land auf den Wandel einzustellen und Strukturen an neue Bedingungen anzupassen - auch dort, wo dies zum Konflikt mit den Gewerkschaften kommen kann, wie zum Beispiel bei der Rente mit 67.
    Mit dieser Distanzierung von ihrem Reformprogramm - der Begriff »Agenda 2010« wurde tunlichst aus Texten herausgehalten - und den Annäherungsversuchen gegenüber den Gewerkschaften gewann die SPD keine Stimmen zurück. Sie verlor vielmehr Stimmen in dem Wählerreservoir, das von ihr Reformen in sozialer Verantwortung erwartete.
    3. Die sozialpolitische Kompetenz der SPD ist eine notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingung, um Wahlen zu gewinnen. Die Kompetenzdefizite der SPD in weiten Teilen von Wirtschaft, Mittelstand und Technologie, die in Umfragen bestätigt werden, spielten auch bei dieser Bundestagswahl 2009 eine erhebliche Rolle. Aber es ist mehr als das. Selbst in einer Zeit, in der das System der sozialen Marktwirtschaft angesichts zunehmender Ungleichheiten, Exzesse und sozialer Schieflagen im Zuge der Krise in Legitimationsprobleme gerät, hat diejenige politische Kraft einen Vorsprung (und erfährt entsprechende multiplikative Unterstützung), die am ehesten als Sachwalter dieses Ordnungsmodells wahrgenommen wird. Die stärkere Identifizierung von CDU/CSU mit der sozialen Marktwirtschaft und die ungetrübte Bestätigung ihres politischen Bekenntnisses wirken überzeugender als eine ordnungspolitisch nicht sattelfeste, wirtschaftspolitischen Fragen gegenüber distanzierte und gefährlichen politischen Landeplätzen sowie Partnern mit einem ganz anderen Katechismus zugeneigt erscheinende Partei. Es kommt nicht darauf an, ob diese Wahrnehmung zutrifft, die Frage ist vielmehr, ob dies der Eindruck einer breiten Wählerschaft ist.
    Wenn dieser komparative Vorteil der Union dann in der Finanz- und Wirtschaftskrise auch noch von einer staatspolitischen Zweckmäßigkeit im Krisenmanagement begleitet wird - wie dies während der großen Koalition durchaus der Fall war -, dann ist es für die SPD sehr schwer, dagegen zu punkten.
    Dann reicht es auch nicht, zwei oder drei Personen in petto zu haben, die konkurrieren können, eventuell sogar hoch gehandelt werden in den Politiker-Rankings. Die wirtschaftspolitische Kompetenz einer Partei lässt sich nicht allein von zwei oder drei Spitzenvertretern beweisen. Sie muss durch versierte Frauen und Männer repräsentiert werden, die in Fraktion und Partei verankert sind und über Stimme und Einfluss verfügen. Genau das fehlt in der SPD, weil sie mit diesem Stoff fremdelt. Und das merkt der Wähler. Einige ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitiker zogen sich frustriert aus der Politik zurück. Andere wurden bei der Aufstellung der Landeslisten zur Bundestagswahl mit Liebesentzug bestraft und auf ziemlich aussichtslose Plätze gesetzt, weil sie sich gegen irgendeine parteipolitische Räson gesträubt hatten (wer definiert die eigentlich?). Manche kamen mit einer Bewerbung um ein Mandat gar nicht erst zum Zug, weil ihnen in der parteiinternen Kandidatenkür jemand mit mehr Stallgeruch und sozialpolitischem Profil vorgezogen wurde. Dementsprechend war es um die wirtschaftspolitische Kompetenz der SPD - »It's the economy, stupid!« - (nicht zum ersten Mal) schlecht bestellt.
    4. Als eine der großen wahlstrategischen Schwächen erwies sich die Tatsache, dass die SPD keine realistische Machtoption als Seniorpartner in einer Koalition hatte. Der Anspruch, mit Frank-Walter Steinmeier den zukünftigen Kanzler zu stellen, hatte kein Fundament. Das blieb den Bürgern nicht verborgen. Für sie gilt aber in der Politik dasselbe wie sonst im Leben: Sie sind lieber bei den Gewinnern als bei den Verlierern. Und entsprechend wählen sie dann auch.
    Das Dilemma der SPD war offensichtlich. Wenn sie auf Sieg und nicht auf Platz setzen wollte, dann konnte sie keine Fortsetzung der großen Koalition anstreben. Die Rolle des Juniorpartners hätte sich auch gegen eine starke innerparteiliche Frustration und Aversion nur schwer und auf Kosten erheblicher Mobilisierungsschwächen durchsetzen lassen. Da andererseits absehbar war, dass Rot-Grün nicht reichen würde, musste die Ampel mit der FDP gegen jede Wahrscheinlichkeit und Wette

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