Unterm Strich
Stability Forum zu delegieren, eine Art internationaler Stabilitätsrat, kam nicht heraus.
In einer Sitzungspause gab mir mein damaliger britischer Kollege Gordon Brown sehr jovial zu verstehen, dass man es mit der Regulierung nicht zu weit treiben dürfe, wenn man die Märkte nicht stören wolle. Fast 80 Prozent der in Europa ansässigen Hedgefonds und Private-Equity-Fonds haben ihren Sitz in London. Hier tat sich bereits der grundlegende Interessenkonflikt mit den Finanzzentren von New York und London auf, der bis heute alle internationalen Konferenzen zur Finanzmarktregulierung durchzieht. Die Wall Street lässt sich das Lobbying in Washington jährlich ungefähr 200 Millionen US-Dollar kosten. Die wirtschaftliche Bedeutung und Macht der City of London ist in Großbritannien so groß, dass keine Regierung sie außer Acht lassen kann. Das ist auch kein Wunder, wenn man weiß, dass der Finanzsektor in Großbritannien doppelt so viel zum BIP beiträgt wie in Deutschland. Um der Gerechtigkeit willen muss hinzugefügt werden, dass die Hedgefonds dann ursächlich nichts mit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise zu tun hatten.
Erste leichte Zweifel an der Entwicklung des US-Häusermarkts schnappte ich während eines Besuchs in New York am 15./16. März 2007 auf. Im Verlauf dieser zwei Tage hatte ich mit mehreren Vorstandsmitgliedern von Wall-Street-Banken - darunter Blackstone, Morgan Stanley, Citigroup und Merrill Lynch - sowie mit Wirtschaftsjournalisten von Bloomberg TV gesprochen. Aber mehr als eine leichte Skepsis, die sich eher darauf bezog, dass der US-Immobilienmarkt sich wohl nicht weiter so stetig entwickeln werde, war mir nicht begegnet. Ich wurde während dieses Besuchs von einer Gruppe deutscher Bankmanager, Unternehmer und Journalisten begleitet. Es war Nikolaus Piper von der Süddeutschen Zeitung, dem das Kompliment zusteht, anschließend einen sehr hellsichtigen Artikel über eine Blasenentwicklung auf dem US-Immobilienmarkt geschrieben zu haben. Aber ich kannte niemanden, der für den Sommer den Beginn eines Tsunamis an den Finanzmärkten vorhergesagt hätte.
Wie inzwischen öffentlich berichtet wurde, hatte der Vorstandsvorsitzende der IKB, Stefan Ortseifen, in einer Aufsichtsratssitzung am 27. Juni 2007 auf die Frage Jörg Asmussens und des Unternehmers Roland Oetker,ob die IKB direkte oder indirekte Investments in Subprime-Papiere vorgenommen habe, mitgeteilt, dass es keine direkten Investments, sondern allenfalls mittelbare Engagements mit einer Ausfallbegrenzung gebe. Am 20. Juli 2007, also neun (!) Tage vor dem drohenden Zusammenbruch der IKB, ließ Ortseifen in einer Pressemitteilung dann verlauten, dass die IKB im laufenden Geschäftsjahr mit einem operativen Ergebnis von 280 Millionen Euro rechne. Bezogen auf die Unsicherheiten im US-Hypothekenmarkt, fielen Worte wie »praktisch keine Auswirkungen«, »mit einem einstelligen Millionenbetrag betroffen« und »Schwerpunkt unseres Engagements bilden Investments in Portfolios von Unternehmenskrediten«.
Dies war meine erste bittere Erfahrung in der Finanzkrise, was die Ahnungslosigkeit, Risikoignoranz und Desinformation von Bankmanagern angeht. Ob die Täuschung von Anlegern und Kursmanipulationen hinzukommen, hatte das Düsseldorfer Landgericht zu entscheiden. Weitere Erfahrungen mit Bankmanagern ließen meinen Respekt für diese unantastbar kompetent erscheinende und von ihrer eigenen Bedeutung getragene Kaste systematisch auf das Niveau sinken, das diese Herren normalerweise der Politik entgegenbringen. Es gibt allerdings mehrere Ausnahmen - wie umgekehrt hoffentlich auch.
In den mehreren längeren Telefonschaltkonferenzen am Wochenende 28-/29. Juli 2007 - unter Einbeziehung der Bundesbank, der BaFin, aller drei Bankenverbände, des KfW-Vorstands, der Bundesregierung und auch von Verwaltungsratsmitgliedern der KfW, soweit sie erreichbar waren - spielte das Szenario einer Insolvenz, die mit dem angekündigten Moratorium durch die BaFin gleichsam vorprogrammiert war, durchaus eine zentrale Rolle. Als amtierender Vorsitzender des Verwaltungsrats der KfW und als Gesprächsleiter stellte ich die Frage, ob ein Ende der IKB mit Schrecken nicht besser sei als ein Schrecken ohne Ende. Ich habe keine einzige Stimme in Erinnerung, die dazu riet. Im Gegenteil: Es gab die einmütige Auffassung, dass sich mit einer Insolvenz nicht nur unkalkulierbare Übersprungrisiken und Dominoeffekte auf dem gesamten Bankensektor ergeben könnten, sondern dass Deutschland
Weitere Kostenlose Bücher