Unternehmen Delphin
Disneyland. So was spricht sich sofort rum bei den anderen Burschen, nicht anders als bei uns: Du, sieh mal, das ist ein Schlappschwanz!«
»Und was willst du jetzt machen?«
»Ich hole eine Kiste Heringe.«
»Und …?«
»Bei uns Menschen würde man das Bestechung nennen. Ich weiche Johns Leibgarde auf. Mal sehen, wie er sich benimmt, wenn er allein ist. Isoliert. Wenn alle ins Meer hinaus dürfen, nur er nicht.«
»Das ist gefährlich, James. Wenn John Charakter besitzt – und der Kerl hat Charakter –, ist er für alle Zeiten verdorben. Dann muß er weg in irgendein fernes Delphinarium.«
»Der Delphin ist ein Familientier.« Finley schüttelte den Kopf. »Wenn alle sich von ihm wenden, wird er weich werden und seine Sturheit aufgeben.«
»James, ist es wirklich nur Sturheit?« Rawlings wischte sich über das Gesicht. »Mit Heringen locken, Urinstinkte wecken … das kann daneben gehen.«
Finley drückte die Tür zum Magazin auf. »Verdammt, ich muß dem Burschen John beweisen, daß andere auch einen dicken Kopf haben!«
Finleys hinterhältiges Manöver mit den Heringen bescherte nur einen halben Erfolg. Nach anfänglichem Zögern schwammen sieben Delphine der Gruppe zu Finley hin und taten alles, was er von ihnen verlangte, um an die köstlichen Fische zu kommen. Sie tanzten im Wasser, schlugen Purzelbäume, fingen Gummibälle auf, spielten mit Finley Tauziehen und drängten sich dann schnatternd zu dem Betonklotz, auf dem Finley stand und die Fische zuteilte.
Drei Delphine dagegen blieben bei John, der weiter in der Mitte des Bassins seine engen Kreise zog, ab und zu den Kopf hob und mit scharfen, spitzen Tönen zu den Abtrünnigen hinüberschimpfte.
»Welche Ähnlichkeit mit den Menschen!« sagte Finley bitter, als Rawlings mit einem Fotoapparat neben ihn trat. »Die einen verkaufen fürs Fressen ihr Vaterland, die anderen sind bereit, mit Glanz und Gloria Helden zu werden. Immerhin ist Johns Front zerrissen. Ich fahre jetzt mit den sieben Opportunisten aufs Meer und bin gespannt, wie sie ohne ihren Kompaniechef zurecht kommen.«
Am Abend wußte man mehr.
John blieb in der Mitte des Bassins, taub für alle Rufe, alle elektrischen Impulse, mit denen sein Körper über die feinen Apparate an seinem Hals behämmert wurde. Er fraß auch nichts. Selbst, als Helen ihn rief und mit den Fischen winkte, drehte er sich beleidigt weg und tauchte unter. Ein bis in die tiefste Seele gekränktes Lebewesen.
Die Übung auf See war insgesamt erfolgreich gewesen. Die Kompanien hatten alle Zielkörper geortet und mit Kontakten versehen, zum Beweis, daß sie keine Falschmeldungen durchgaben. Finleys Siebenergruppe, ohne ihren ›Chef‹, erfüllte zwar ebenfalls alle Aufgaben, aber dann wurden sie disziplinlos, zischten übermütig durch das Meer, jagten als geschlossener Verband zwei kleinere Haie in die Flucht und kamen trotz massiver Befehle aus Finleys elektronischem Impulsgeber erst als letzte zu dem flachen Boot zurück, in dem Finley und ein Assistent auf sie warteten. Dann aber schwammen sie in Dreierreihe militärisch exakt hinter ihm her, der Siebente, der Delphin Snoopy, als John-Ersatz an der Spitze. Erst an der Schleuse zum Bassin löste sich die Formation auf.
Finley trat im rotgoldenen Abendlicht an das Bassin und suchte John. Der Delphin, gefolgt von seinen drei Getreuen, blieb in der Mitte. Aber er schaute zu Finley herüber.
»Du bist, wie alle Männer, ein gewaltiger Idiot, John!« sagte Finley und ließ seine Beine ins Wasser hängen. »Spielst einer Frau wegen den wilden Mann – dabei denkt diese Frau weder an dich noch mich, sondern an einen fremden Kerl in Miami. Wir sollten uns nicht bekriegen, wir sollten Freunde sein, John, alter Junge. Wir leiden an der gleichen Krankheit, und keiner ist da, der uns da helfen kann. Für Helen bist du ein Delphin, und ich bin ein guter Kumpel, dem man ab und zu auf die Schulter klopfen kann. Würde ich ihr sagen: Helen, ich liebe dich – einen Lachkrampf bekäme sie. Und du, John, kannst noch so sehr grollen, in Hungerstreik treten oder das ganze Trainingsprogramm sabotieren … du erreichst nichts. Nach Marineland bringen sie dich zurück, und da kannst du vor quiekenden Kindern und Tausenden von Kameras deine Kunststückchen vorführen, nach Bällen schnappen, an Glockenseilen ziehen, Salti schlagen, auf dem Schwanz tanzen und bekommst ein paar Heringe Gratiskost. John, so ist das Leben nun mal. Wir sollten nur nicht einer einzigen Frau wegen alles
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