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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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mußte einmal ein privates Palais gewesen sein. Auf der Straßenseite waren nur hohe düstere Mauern mit kleinen Fenstern zu sehen. Das Gebäude hatte einen Innenhof mit einem Springbrunnen sowie Galerien im zweiten und dritten Stock. Dort oben stand er jetzt, lehnte sich gegen das steinerne Geländer und sah zu dem Springbrunnen in der Mitte des Hofs hinunter. Die sizilianische Kunst war zu neunzig Prozent religiös und stellte hauptsächlich die Madonna dar. Er hatte sie in etlichen hundert Varianten betrachtet. Das Museum war ein guter Treffpunkt. Von hier oben hatte man einen vollständigen Überblick darüber, wer das Gebäude verließ und wer hereinkam. Überdies gab es zahlreiche Möglichkeiten, Deckung zu suchen.
    Er verscheuchte die Überlegung. Im großen und ganzen hatte er den operativen Teil schon durchdacht, und heute abend wollte er zum ersten Mal seit seiner Rückkehr eine reelle Mahlzeit zu sich nehmen. Das Restaurant oben am Teatro Massimo hatte wegen seines unwiderstehlichen Namens, Lo Scudiero, seine Aufmerksamkeit erregt. Es hörte sich an, als hätte es etwas mit Scud-Raketen zu tun, doch der Besitzer hatte erklärt, es bedeute so etwas wie »noch nicht richtig Ritter, aber beinahe«. Vermutlich war ein Schildknappe gemeint. Der große Vorzug des Restaurants waren die steinernen Wände. Man konnte drinnen im Schutz der Mauern sitzen und den Eingang gleichzeitig im Auge behalten. Perfekt. Niemand würde hereinkommen und ihn überraschen, und niemand würde einen solchen Versuch überleben. Der Schweiß lief in zwei kleinen Rinnsalen an beiden Seiten der Pistole entlang, die er auf dem Rücken in den Gürtel gesteckt hatte. Ein kurzärmeliger, verwaschener Collegepullover, den er über den Hosen trug, verdeckte die Waffe einigermaßen. Er hatte weniger als zwei Sekunden von der Entdeckung bis zu gezieltem Feuer, und diese Zeitspanne würde in den meisten Situationen genügen.
    Carl widmete einige Zeit den bürokratischen Fragen, um zu sehen, ob irgendwo noch eine Lücke war, die er vor Beginn der Operation abdichten mußte. Er hatte seine Waffen schon in Rom angegeben, und dieser Cortini hatte auf direktes Befragen versichert, die Genehmigungen seien weit gefaßt und allgemein gehalten und könnten in der Praxis, falls sich die Lage irgendwann zuspitze, als Genehmigungen für praktisch sämtliche Waffen gelten, sowohl für ihn selbst wie für eine nicht näher spezifizierte Zahl von Mitarbeitern.
    Die Nachricht von der Lieferung aus den USA schien Cortini nicht überrascht zu haben. Folglich hatte die amerikanische Bürokratie mit unüblicher Schnelligkeit gearbeitet. Also hatten sie den Köder geschluckt.
    Cortinis Entgegenkommen war da mehr als nur eine andeutende Bestätigung gewesen, und Carl hatte zu seinem eigenen Erstaunen mehr über seinen Plan erzählt, als er sich zunächst vorgenommen hatte, hatte aber nicht den Eindruck gewonnen, als würde irgendeine Kraft in Rom auf die Bremse treten. Alles war unter Kontrolle. Jetzt brauchte er nur noch auf Da Piemontes Lieferung zu warten.
    Carl begann in Richtung Hotel zu flanieren und erreichte die Via Roma genau dort, wo er es sich gedacht hatte, und entdeckte in einigen der Seitenstraßen einen fast orientalisch anmutenden Markt. Er bewegte sich zwischen den Ständen mit den reihenweise aufgehängten Zicklein, sah Tintenfisch in ungeheuren Mengen sowie Obst und Gemüse. Carl fragte sich, wie sich alles bei dieser Hitze frisch halten sollte. Das Eis schmolz unter den Fischkisten, so daß das Wasser auf dem Straßenpflaster in Rinnsalen dahinströmte. Schon bald würde er hier ohne Rückendeckung nicht mehr so unbekümmert im Gedränge herumgehen können, und schon bald würde er auch den Wagen nicht mehr benutzen können, doch jetzt genoß er seine Schonfrist und atmete die Düfte ein, in denen sich die Gerüche von Blut, Fleisch, Fisch und Gewürzen mit den Düften von Blumen und Parfüm vermischten. Er fühlte sich vollkommen im Gleichgewicht, und seine Stimmung besserte sich noch mehr, als er das Marktgewimmel genau an der Stelle verließ, an der er es verlassen wollte, so daß er sich wiederum in der Via Roma befand, nur wenige Straßenblocks von seinem Hotel entfernt. Er ertappte sich dabei, Palermo plötzlich zu mögen, entdeckte Charme und Lebensfreude in den Gesichtern, die er betrachtete. Er sah verschwitzte Frauen mit überladenen Körben, die mit lauter Stimme über die Preise klagten, mürrische Männer in weißen Hemden, denen es

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