Unternehmen Vendetta
zu tun. Da Piemonte gefiel die Situation ganz und gar nicht. Er wollte in nichts hineingezogen werden, das auch nur von fern an die Jahr für Jahr enthüllten römischen Verschwörungen erinnerte. Er hatte keine Lust, sein Bild neben pensionierten Generälen und heimlichtuenden Freimaurern in den Zeitungen zu sehen. Er nahm den Eid, den er einmal geschworen hatte, nämlich den demokratischen italienischen Staat zu verteidigen, sehr ernst und hatte überdies immer betont, daß der Eid auch den Kampf gegen die Mafia einschloß.
Der kleine Mann, der jetzt in dem Besucherstuhl saß und ihn prüfend musterte, während er mit langsamen Bewegungen seine dunkle Brille putzte, sah nicht nur wie eine Katze aus, die mit lüsterner Neugier ihre Beute studiert, sondern auch wie einer dieser Römer, die das Leben unter bestenfalls pragmatischen Gesichtspunkten betrachten.
»Ich habe vor kurzem das Vergnügen gehabt, mich mit unseren schwedischen Verbündeten zu beraten«, sagte Cortini weich und widmete seiner Brille übertriebenes Interesse, bevor er fortfuhr. »Wir befinden uns in einer, sagen wir, außergewöhnlichen Situation. Ich hoffe, Sie erkennen das, Oberst?«
»Selbstverständlich, Herr General«, erwiderte Da Piemonte, der nicht die leiseste Ahnung hatte, was mit den Worten »außergewöhnlich« oder »wir« eigentlich gemeint war.
»Nun. Es geht kurz gesagt um sehr deutlich geäußerte Wünsche unserer amerikanischen Verbündeten«, fuhr der General fort, hielt seine Brille gegen das Licht und setzte sie auf. »Den Amerikanern ist sehr dringend daran gelegen, und wenn ich sehr dringend sage, meine ich es auch, daß wir, wie sie sich ausdrücken, spuren. Dabei kann es einerseits vielleicht juristische Probleme geben und andererseits praktische, um nicht zu sagen politische. Aber Sie sind vielleicht ein Mann, dem politische Überlegungen zuwider sind, Oberst?«
»Aufrichtig gesagt ja, Herr General«, entgegnete Da Piemonte. Der übertrieben sanfte und leise geflüsterte Tonfall, dessen sich sein Vorgesetzter bediente, erzeugte in ihm ein starkes Unbehagen.
»Dann lassen Sie mich nur darauf hinweisen«, sagte der General in plötzlich viel schärferem Ton, »daß das Problem dem Verteidigungsministerium zu eingehenden Überlegungen Anlaß gegeben hat. Das Ministerium hat einige Beschlüsse gefaßt.«
»Als regionaler Befehlshaber bin ich natürlich dem Verteidigungsministerium unterstellt«, bestätigte Da Piemonte und gab sich große Mühe, sich seine Irritation darüber nicht anmerken zu lassen, daß sein Gegner, denn er sah Cortini plötzlich als seinen Gegner, nicht zu seinem eigentlichen Anliegen kam, sondern zunächst und sehr eingehend seine Macht demonstrieren mußte.
»Dieser Hamilton macht einen guten und vertrauenerweckenden Eindruck, oder was meinen Sie, Herr Oberst?« fuhr Cortini fort, als dächte er noch nicht im Traum daran, zur Sache zu kommen.
»Ja, das kann man sagen. Das ist auch meine Auffassung, auch wenn sein erster Besuch hier ein unglückliches Ende genommen hat«, erwiderte Da Piemonte gemessen und sorgsam ausgewogen, damit eine eventuelle Ironie nicht spürbar wurde.
»Jaja, sowohl Hamilton als auch sein Begleiter waren damals unbewaffnet. Man kann natürlich diskutieren, ob das sehr klug war, doch jetzt dürfte Hamilton gut ausgerüstet sein, kann ich mir vorstellen.«
»Er hat die Einfuhr zweier Handfeuerwaffen angegeben und mir die Genehmigung des Verteidigungsministeriums gezeigt, Waffen zu persönlichem Gebrauch zu tragen, falls es das ist, was Sie meinen, Herr General.«
»Nun ja, darum geht es hier nicht. Inzwischen dürfte in Palermo eine Lieferung aus den USA eingetroffen sein, ist es nicht so?«
»Ja, ich habe gerade mit dem Flughafen gesprochen. Die Waren, welcher Art sie auch sein mögen, sind eingetroffen.«
»Aber das ist ja ausgezeichnet. Dann gehe ich davon aus, daß Sie Mittel und Wege finden, das Material möglichst schnell an Hamilton und seine eventuellen Mitarbeiter zu übergeben?«
»Er hat Mitarbeiter hier? Darüber hat er mich nicht informiert.«
»Nein, das unterließ er aufgrund meines ausdrücklichen Wunsches. Ich weiß auch nicht, wer sie sind oder wie viele. Wenn aber niemand etwas weiß, kann niemand etwas verraten, und überdies läuft keiner von uns Gefahr, den anderen oder dessen Organisation zu verdächtigen. Doch jetzt zu der heiklen Frage.«
Der General schwieg jedoch, ohne zu der heiklen Frage zu kommen. Statt dessen verwandte er eine
Weitere Kostenlose Bücher