Unternehmen Vendetta
während er unter seinen Karten wühlte und die Liste mit Vorschlägen betrachtete, die Luigi für ihn gemacht hatte, »wie ich sehe, dürfte Calatafimi nur rund eine halbe Stunde von Ihrem Haus entfernt sein. Wenn man von Westen her nach Calatafimi hineinfährt, liegt da ein leeres Haus. Es liegt hoch oben auf einem Hügel und sieht aus wie ein verfallenes Herrenhaus. Man sieht es schon aus großer Entfernung. Drumherum überall nur Felder, klare Sicht sozusagen. Können Sie mir folgen?«
»Ja, durchaus. Ich weiß, von welchem Haus Sie sprechen. Und?«
»Was halten Sie davon, wenn wir uns in zwei Stunden dort treffen? Ich komme allein und bin bewaffnet. Sie warten im Haus und kommen heraus, wenn ich draußen mit dem Wagen halte. Sie kommen zu mir. Ist das ein guter Vorschlag?«
»Nun ja«, erwiderte Don Tommaso zögernd. Seine Stimme hörte sich endlich völlig normal an. »Es wird verdammt warm. Es scheint mir besser zu sein, Sie kommen ins Haus.«
»Nie im Leben, Don Tommaso. Ich habe nämlich Angst vor Schlangen«, lachte Carl. »Außerdem habe ich mir ein offenherziges und sehr konkretes geschäftliches Gespräch unter vier Augen vorgestellt. Sie wissen, daß ich Ihnen nicht weh tun kann, selbst wenn ich nachts an Ihrem Bett stehe und Ihnen von Ihrem Nachttisch Heiligenfiguren stehle. Bedauerlicherweise habe ich von Ihnen nicht die gleichen Garantien, und deshalb sollten wir Mißverständnisse vermeiden.«
»Dann haben wir eine Abmachung«, sagte Don Tommaso. Es hörte sich fast an, als lachte er leise vor sich hin. »Es ist nicht ganz einfach, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Mr. Hamilton. Deswegen hoffe ich, daß wir jetzt ein konkretes Ergebnis erreichen. Der Preis ist inzwischen gestiegen, wie Sie vielleicht wissen.«
»Ja«, entgegnete Carl gemessen. »Das ist mir bekannt. Aber der Preis für Santa Rosalia ist vielleicht auch gestiegen. Wir sehen uns in zwei Stunden.«
Carl empfand fast so etwas wie Bewunderung für Don Tommaso, als er auflegte. Wer wäre in einer entsprechenden Situation ähnlich gefaßt gewesen? Das Aufwachen, als Verdis Macbeth im ganzen Hause dröhnte und der Kopf des Patensohns neben Don Tommaso im Bett lag, mußte der Alptraum schlechthin gewesen sein. Dennoch hörte sich der Mann eher an, als hätte er nur wegen Verdauungsproblemen eine etwas unruhige Nacht gehabt. Carl versuchte sich in Don Tommasos Lage beim Aufwachen zu versetzen, doch seine Phantasie reichte nicht aus.
Das folgende Telefongespräch war bedeutend einfacher. Er konnte gleich zur Sache kommen. Er teilte Oberst Da Piemonte mit, er müsse sich eine andere Unterkunft suchen, da es im Hotel offensichtlich zu unruhig sei. Kurz gesagt gebe es entscheidende Sicherheitsgründe dafür, woanders zu wohnen. Dann lud er sich mehr oder wenige selbst rechtzeitig zum Lunch ins Hauptquartier der Carabinieri ein.
Luigi lag in der Plicht auf dem Boden und schlummerte ein wenig. Nach seiner fast zwei Stunden langen Schwimmtour fror ihn schon lange nicht mehr. Erst bei der Rückkehr von dem Unternehmen gestern nacht war ihnen aufgegangen, daß es nicht gut aussehen würde, wenn Luigi ausgerechnet in der Nacht aus dem Hotel verschwand, in der dort jemand ermordet worden war. Folglich hatte Åke sie in der Morgendämmerung an den Strand gebracht, damit Carl und Luigi ins Hotel zurückkehren konnten. Was Luigi betraf, war es nur eine Fahrt hin und zurück, um zu bezahlen und auszuziehen, nachdem er unten im Speisesaal in demonstrativer Ruhe sein Frühstück eingenommen hatte. Dann hatte er auf Vorschlag Carls darum gebeten, seinen Pick-up in der Hotelgarage stehen lassen zu dürfen, um so klarzumachen, daß er wiederkommen wolle. Dann hatte er einen Wagen gemietet und seine Taucherausrüstung umgeladen, also die zivile Version mit Preßluftflaschen, um dann zur Bucht von Castellammare zurückzukehren. Er hatte den Wagen in der Nähe von Trapetto abgestellt und war dann mit seinem Harpunengewehr und der gesamten Ausrüstung aufgebrochen. Es war noch früh am Morgen gewesen, und er hatte in der Nähe nur wenige Menschen gesehen. Es würde niemandem auffallen, daß dieser Taucher nicht zurückkehrte.
Es war eigentümlicherweise ein wenig erschreckend gewesen, bei Tageslicht und klarer Sicht zu schwimmen. Das rhythmische Fauchen des Ausatmungsventils und der Strom von Luftblasen hinter ihm hatten ihm das Gefühl gegeben, ausgeliefert und verwundbar zu sein. Jetzt konnte man ihn entdecken, womöglich aufspüren, und er war ohne jeden
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