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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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dem Bergrücken und sahen dort unten am Meer schon die Lichter von Castellammare glitzern, ebenso das Licht aus Don Tommasos Festung. Ihren Wachposten sahen sie jedoch nicht.
    Dieser mußte also ein Stück weiter unten sitzen, was ihm auch vor dem unangenehmen Wind Schutz bot. Sie wollten ihn jedoch lebend haben. Die ganze Expedition hatte keinen Sinn, wenn sie nur einen erschossenen Wachposten daließen.
    Carl schlug vor, sie sollten ganz einfach bis zum Rand des Felsens gehen und nachsehen. Mehr könnten sie kaum tun. Von diesem Augenblick an bemühten sie sich, leise zu sein.
    Als sie über den Felsrand blickten, sahen sie ihn fünf Meter weiter unten. Er hatte sich tatsächlich ein kleines Nest gemacht. Es sah komfortabel aus. Der Mann saß mit dem Rücken an der Bergwand auf ein paar zusammengefalteten Wolldecken und hatte ein Funkgerät in der Hand. An einem Stein lehnte eine Maschinenpistole. Die Waffe war in Griffweite. Der Mann saß auch recht nahe am Abgrund, nur rund eineinhalb Meter davon entfernt.
    Carl und Luigi zogen sich behutsam zurück und setzten sich im Wind hin, um zu beraten. Es wäre zu riskant, einfach fünf Meter hinunterzuspringen. Auch wenn sie damit einen erheblichen Überraschungseffekt erzielen konnten, konnte der Betreffende stolpern und Lärm machen und damit alles verderben. Von unten war an das Nest nicht heranzukommen. Der einzige Zugang war von oben möglich, über eine breite und rauhe Felsspalte voller loser Steine, die sofort Alarm schlagen würden, wenn jemand versuchte, auf dem Weg hinunterzukommen. Eine Möglichkeit wäre natürlich, den Mann einfach nur anzuschießen, aber das würde erstens Transportschwierigkeiten nach sich ziehen und zum anderen die Gefahr mit sich bringen, daß er irgendwie Alarm schlagen konnte. Überdies war es schwierig, eine für ihre Zwecke geeignete Verwundung von oben anzubringen.
    Carl fiel ein, daß es vielleicht nicht sehr sinnvoll sei, einen versteckt abgestellten Wagen voller Ausrüstung für eine halbe oder eine ganze Million auf Sizilien allzu lange unbewacht zu lassen. Vielleicht sollten sie auf dieses Vorhaben verzichten und zu Plan B übergehen, das heißt gleich gegen Don Tommasos Raffinerie zuschlagen.
    Luigi gebot Carl plötzlich zu schweigen und lauschte zunächst intensiv. Dann lächelte er fröhlich und zeigte auf seinen Ohrhörer.
    »Das Problem hat sich von allein gelöst«, sagte er eifrig, als er genug gehört hatte. »Ein Mann ist hierher unterwegs, um unseren Falken abzulösen, und der muß etwa hier vorbeikommen, wo wir sitzen.«
    Sie nickten einander begeistert zu und gingen, ohne daß etwas gesagt werden mußte, zu je einer Stelle, um in die Dunkelheit hinunterzuspähen, die für sie kein Problem bot. Carl sah niemanden kommen, doch bald erschien Luigi bei ihm und teilte mit, die Ablösung sei auf dem Weg nach oben und habe noch etwa hundert Meter zurückzulegen. Beide schlenderten wieder zu dem anderen Hang und betrachteten den Mann, der sich mühsam hochkämpfte. Der Mann hatte eine zwar steile, aber nicht sonderlich schwierige Kletterpartie zu bewältigen.
    »Er scheint Anfang fünfzig zu sein und ist hoffentlich schon etwas mürbe, wenn er hier ankommt«, bemerkte Carl. »Siehst du den Busch da unten, etwa acht Meter tiefer?«
    Luigi nickte. Er ahnte schon, wie das Ganze ablaufen sollte.
    »Geh runter und warte dort auf ihn. Leg ihm Handschellen an und verkleb ihm den Mund mit Klebeband. Erklär ihm alles, was er nicht verstanden hat, auf englisch«, kicherte Carl.
    Luigi nickte und stieg behutsam zum Treffpunkt hinunter, während Carl seine Pistole zog, sie entsicherte und ein paar Mal zur Probe zielte. Es schien eine ziemlich große Bestie zu sein, die da unten hochkam. Carl empfand eine kindliche Erwartung, etwa so wie früher vor einer Sonntagsvorstellung im Kino. Er trat ein paar behutsame Schritte zurück, um nicht als Silhouette am Nachthimmel zu erscheinen. Dann verschränkte er die Arme, hielt die Pistole schußbereit und wartete auf den Beginn der Vorstellung.
    Luigi hatte inzwischen seine Position eingenommen. Er empfand es als unbehaglich, Hamilton als Publikum dort oben zu wissen. Er brachte es immer noch nicht über sich, Carl als Carl zu sehen, sondern nannte ihn immer nur Hamilton. Gerade dort, wo er stand, befand sich ein kleiner Absatz. Der Mafioso würde sich vermutlich mit einem letzten langen Schritt dorthin hochkämpfen und sich dann ausstrecken, um ein wenig auszuruhen.
    Genau das tat er auch.

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