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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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eine Art Feuerelfen dar. Es sah poetisch aus, schön und phantasieanregend. Es war jedoch nicht auszumachen, wie die Gesichtszüge aussahen. Das Geschlecht war ebenfalls nicht zu bestimmen. Oder das Alter.
    Carl verdrängte das Problem eine Zeitlang und setzte seine Maschinenpistole zusammen. Er hatte ein kompaktes deutsches Modell ausgesucht, das im Rucksack nicht viel Platz einnahm.
    Åke Stålhandske würde ebenfalls eine Maschinenpistole mitschleppen, wenn auch eher aus Sicherheitsgründen. Ihr Einsatz war nicht geplant. Carl erwog die Möglichkeit, die Planung zu ändern. Sie würden sich auch mit Gewalt Zutritt verschaffen und das Erschießen anders regeln können. Sie würden sich die Opfer aussuchen können.
    Nein. Überlebende Zeugen würden alles zerstören. Damit würden sie die vier schwedischen Geiseln zu einem sofortigen und wahrscheinlich recht qualvollen Tod verurteilen.
    Carl beschloß, Åke Stålhandske nichts davon zu sagen, daß es die einzige Lösung war. Dieser würde sich dem Ziel nur auf höchstens zweihundert Meter nähern, und von dort oben würde er nicht erkennen können, was hier unten geschah. Er würde überdies nicht einmal Zeit haben, sich darüber Gedanken zu machen.
    Nein. Er würde Åke den Befehl erteilen. Über das Ergebnis jedoch nur in streng zensierten Bildern berichten. Für andere Lösungen blieb jetzt keine Zeit. Er mußte bis zu Don Tommasos Lunch morgen um zwei Uhr mittags eine Entscheidung herbeigeführt haben. Bis dahin blieben noch knapp fünfzehn Stunden. In fünfzehn Stunden würde es ihm nicht gelingen, ein Lösegeld von vierzig Millionen Dollar zu beschaffen, falls überhaupt. Er überlegte kurz, was die schwedischen Direktoren der Exportindustrie für das Leben von ihresgleichen zu zahlen bereit waren. Carl fragte sich, ob sie darüber diskutiert hatten oder eine Obergrenze festgelegt hatten: zehn Millionen Kronen und kein Öre mehr!
    Was war ein Vorstandsmitglied in den Augen seiner Kollegen wert? Natürlich mehr als ein Arbeiter, aber wie viele Millionen mehr? Fünf? Acht? Neun?
    Carl widmete sich erneut seinem Infrarotgerät. Doch, da drinnen wurde mit Volldampf gearbeitet. Acht Personen, von denen zwei der Körpergröße nach Kinder sein konnten. Diese Scheißkerle setzten für die Heroinherstellung Kinder als Arbeiter ein. So war es.
    Oder sollte man das Ganze nur als eine Art Familienbetrieb sehen, in dem alle mitarbeiteten, die am Eßtisch saßen, einem großen, lärmenden italienischen Mittagstisch, und im Haus die letzte Nacht ihres Lebens arbeiteten, ohne eine Ahnung davon zu haben, daß sie durch die Wände beobachtet wurden?
    Nein, Åke Stålhandske gegenüber würde er kein Wort davon verlauten lassen. Nachdem er sich entschieden hatte, rief er die beiden statt dessen über Funk, um sich die Position geben zu lassen. Åke hatte schon mehr als die Hälfte des Wegs zurückgelegt, und Luigi war schon längst an Bord. Die Basis arbeite störungsfrei und sei jetzt überdies mit militärischem Personal bemannt, wie Åke scherzte.
    Von Zeit zu Zeit war ein einzelner Wagen zu hören, der in Richtung der Badeorte fuhr. Doch insgesamt konnte von Verkehr nicht die Rede sein. Das Unternehmen konnte im Hinblick auf das eventuelle Störungsmoment beginnen, sobald Åke Stålhandske in Position war. Theoretisch konnten sie bis etwa vier Uhr warten.
    Dann würde es zu hell sein. Mußten diese verdammten Kinder ausgerechnet die ganze Nacht arbeiten!
    Carl sah kurz nach seinem Gefangenen und nahm ihm das Klebeband vom Mund. Er bot ihm etwas Wasser an und fragte, ob er Englisch sprechen könne. Er erhielt kaum eine Antwort, aber doch so etwas wie einen gegrunzten Dank für das Wasser. Dann konnte er ihm genausogut wieder den Mund verkleben. Er begann, das Nachtzielgerät an der Maschinenpistole zu befestigen. Seiner Bestellung zufolge sollten alle Zielgeräte bei der Lieferung erprobt sein, aber vor einem Test konnte man es trotzdem nicht wissen. Andererseits spielte das bei einer aus relativer Nähe abgefeuerten Maschinenpistole keine sehr große Rolle. Man sah die Treffer und konnte die Zielrichtung beim Salvenschießen korrigieren.
    Carl schaltete seine Instrumente aus und setzte sich neben den Gefangenen. Er seufzte, als befänden sie sich beide in der gleichen schwierigen Lage. Im Augenblick war Carl sogar der Meinung, er sei am schlimmsten dran. Der andere wußte ja nicht, was geschehen würde, sondern hoffte noch. Er begriff nicht, daß er sterben würde. Im

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