Unternehmen Vendetta
Arzt erschien und fragte ihn auf englisch, ob er den Toten kenne. Carl nickte stumm. Man führte ihn in einen Waschraum, und eine Krankenschwester half ihm dabei, sich zu waschen. Das Becken färbte sich im Wasserstrom hellrot.
Jemand gab ihm ein Glas mit durchsichtigem Inhalt, und in dem Glauben, es sei Wasser, trank er es aus. Im nächsten Augenblick krümmte er sich zusammen und hustete. Das Gebräu schmeckte stark nach Fusel und Traubenkernen.
Gleichwohl schien der Geschmacksschock die beabsichtigte Wirkung zu haben. Er versuchte sich zu konzentrieren, biß die Zähne zusammen und drehte den Zündschlüssel zum Gehirn, während er gleichzeitig auf die Armbanduhr sah. Es war zehn Minuten vor neun. Joar war jetzt seit weniger als zwanzig Minuten tot.
Carl ging wieder ins Wartezimmer, ergriff sein Telefon und rief Oberst Da Piemonte an. Dieser hatte schon von dem Ereignis erfahren. Carl bestätigte den Todesfall und erhielt Befehl, sich in der Caserna Bonsignore einzufinden, sobald die bürokratischen Formalitäten im Krankenhaus erledigt seien. Dann wurde er gebeten, den Hörer dem nächsten Polizisten in schwarzer Uniform zu übergeben.
Von dem englischsprechenden Arzt erfuhr er anschließend, daß der Leichnam obduziert und die Todesursache festgestellt werden müsse. Es müsse zudem ein Protokoll angefertigt werden, bevor die Leiche freigegeben werde. Die Formalitäten würden jedoch in Zusammenarbeit mit dem schwedischen Konsulat erledigt werden, und man wisse in der Klinik darüber Bescheid, welche Maßnahmen dort nötig seien. Verstorbene Ausländer müßten mit der Alitalia transportiert werden, die ein genau geregeltes Verfahren dafür habe. Doch auch das sei im schwedischen Konsulat bekannt. Wie es bei der italienischen Polizei aussehe, wisse man im Krankenhaus nicht genau, aber es sei wahrscheinlich, daß die Polizei so schnell wie möglich einige Vernehmungen durchführen wolle.
Ein Hauptmann der Carabinieri schmuggelte Carl durch einen Kellergang hinaus, da sich im Krankenhaus schon etliche Journalisten eingefunden hatten. Wenn Carl den Hauptmann richtig verstanden hatte, würden die Journalisten einem gewöhnlichen Mord nicht so großes Interesse entgegenbringen, es sei denn, es wäre schon durchgesickert, daß ein Ausländer ermordet worden war.
Das scharfe Sonnenlicht schmerzte Carl in den Augen, und der Wagen fuhr mit heulenden Sirenen und rasender Geschwindigkeit durch den dichten Verkehr Palermos. Carl hatte sich wie aus alter Gewohnheit auf den Kommandoplatz neben dem Fahrer gesetzt, so daß der Hauptmann, den das ein wenig zu stören schien, als Mitfahrer auf dem Rücksitz saß. Die traumgleiche Stimmung begann zu weichen, und gleichzeitig spülte das Gefühl von Trauer über Carl hinweg. Er griff nach seinem Telefon und rief Samuel Ulfssons Durchwahlnummer beim Generalstab in Stockholm an.
Sam war nicht da. Beata nahm ab.
»Hej, Beata. Hauptmann Joar Lundwall ist hier in Palermo vor zwanzig Minuten an Schußverletzungen verstorben«, sagte Carl und atmete tief aus.
Am anderen Ende war es zunächst vollkommen still.
»Ist es wahr? Wenn du es sagst, muß es wirklich wahr sein«, erwiderte Beata flüsternd.
»Ja«, sagte Carl. »Es ist absolut, widerlich wahr. Wo ist Sam?«
»Sam ist draußen auf Berga und wird bald hier sein. Was gedenkst du zu tun?«
Er hörte, daß sie weinte.
»Ich werde versuchen, schon heute abend mit Joar nach Hause zu kommen. Ich rufe später an. Er hat eine Mutter… und ich habe mir gedacht… ich habe mir kurz gesagt gedacht, daß wir beide sie heute abend aufsuchen.«
»Sollte nicht lieber die Polizei… oder ein Pfarrer?«
»Nein, ich glaube, das müssen wir selbst tun. Du und ich. Ich rufe an, sobald ich mich nach Abflugzeiten und derlei erkundigt habe.«
»Wie… wie… wie geht es dir?« fragte Beata. Es war deutlich zu hören, daß sie weinte und daß ihr fast die Stimme versagte.
»Genau, wie du es dir vorstellst. Ich bin unverletzt, mir ist nichts passiert. Aber… ja, ich rufe sofort an, sobald ich etwas weiß. Kein Pfarrer, keine Polizei, wir machen das selbst.«
Er unterbrach das Gespräch und schaltete das Telefon aus. Der junge Hauptmann sah ihn im Rückspiegel an, beugte sich vor und klopfte ihm freundlich auf die Schulter. Diese Jungs sind natürlich schon daran gewöhnt, Kameraden zu verlieren, dachte er. Aber wie kann sich jemand daran gewöhnen? Kann man sich überhaupt je daran gewöhnen?
Oberst Da Piemonte empfing ihn mit einem
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