Unternehmen Vendetta
erstattete kurz und knapp Bericht und wurde dann gefragt, welche Maßnahmen er vorschlage. Er verlangte, man müsse sofort den Schutz schwedischer Staatsbürger und schwedischen Eigentums in Italien verstärken, da gegen weitere Schweden mit Entführung gedroht worden sei. Nein, am Telefon wolle er dies nicht näher erläutern. Nein, nicht am Telefon. Er rechne damit, später am Abend im Generalstab einen ausführlichen Bericht abgeben zu können. Jetzt sei nur nötig, erklärte Carl, daß das Außenministerium die Botschaft in Rom ermächtige, den Konsul in Palermo zu beauftragen, bestimmte Papiere abzustempeln.
Während dieser Prozedur betrachtete Carl sich selbst, so kam es ihm jedenfalls sehr deutlich vor: Er stand im Zimmer ein wenig abseits und sah sich selbst am Spieltisch des Konsuls unter dem Porträt einer Frau sitzen, die am Ende wohl doch Königin Beatrix von Holland war. Er hatte das Gefühl, als hielte ihn nur dieses Abseitsstehen, diese Selbstbetrachtung von außen, zusammen. Er füllte methodisch ein Papier nach dem anderen aus, fragte erneut, welche Bescheinigungen noch fehlten, versicherte, daß Oberst Da Piemonte diese Papiere noch vor dem Lunch besorgen werde, und hakte die Checkliste ab, die er bei den ersten langen Tiraden des Konsuls über die Unmöglichkeit von Carls Vorhaben mechanisch, fast unbewußt angefertigt hatte.
Schließlich blieb nur noch, mit einem Beerdigungsinstitut in Stockholm Verbindung aufzunehmen, das am Flughafen Arlanda mit einem geeigneten Fahrzeug warten solle, »da ich meinen Kollegen ja nicht im Taxi nach Stockholm mitnehmen kann«.
Er rief den Generalstab in Stockholm an und erwischte Beata, deren Fragen nach seiner Gesundheit er schnell und ungeduldig abtat. Er teilte mit, wann er mit der Alitalia-Maschine aus Mailand eintreffen werde, wo er mit Joar umsteigen müsse, bat sie, die Codezahlen zu Joars privatem Panzerschrank zu besorgen sowie die Adresse von dessen Mutter, ferner die von einem Art Director bei einer der größten Werbeagenturen Stockholms namens Carlos. Der Mann sei Spanier. Nein, das Außenministerium könne schreien, soviel es wolle, er habe jetzt nichts weiter zu sagen. Er werde noch am selben Tag bei Sam Bericht erstatten, etwa eine Stunde nach der Ankunft in Arlanda. Ja, er sei körperlich unversehrt.
Nichts von dem, was er in diesen Stunden tat oder sagte, kam ihm wirklich vor. Trotzdem erschien ihm alles selbstverständlich, etwa so wie selbst die wildesten Absurditäten in einem Traum selbstverständlich werden. Er hob nicht mal die Augenbrauen, als Oberst Da Piemonte sich persönlich einfand und die Wachposten überall im Büro mit ihren Waffen klirrten und Haltung annahmen. Als er die letzten ausgefüllten und abgestempelten Papiere auf den schon vorhandenen Stapel fertiger Dokumente legen konnte, kam es zu einer kurzen Diskussion über Löwenfüße aus Bronze oder schwarzem Metall, aus schwarzer Eiche oder braunem Holz oder vielleicht einem helleren und einfacheren Modell aus Pinienholz. Auch dieses Gespräch betrachtete Carl gleichsam von außen, während er sich selbst schließlich Oberst Da Piemonte die Hand geben und für alle Hilfe danken sah, während er höflich auf Fragen antwortete, was als nächstes geschehen werde, ohne die Fragen zu beantworten, so daß der Oberst schnell aufgab. Da Piemonte nahm so etwas wie Haltung an und verneigte sich steif vor Carl, bevor er sich hastig umdrehte und verschwand.
»Wo waren wir stehengeblieben?« fragte Carl den immer noch angestrengt lächelnden Konsul. »Welche Hindernisse müssen wir jetzt noch überwinden?«
Die Wirklichkeit holte ihn erst dann allmählich wieder ein, als er schwitzend in seinem Flugzeugsessel saß. Da war irgendein Geräusch aus dem Laderaum. Er deutete es als etwas Schweres, was ihm zu schaffen machte, und da ging ihm auf, daß er jetzt mit Joar nach Hause fliegen sollte, daß Joar tatsächlich da irgendwo mit einem halben Liter Formalin in sich lag, in einem vorschriftsmäßigen Zinksarg, der in einem Sarg mit Löwenfüßen und Jute steckte.
Carl begann den gesamten Ereignisablauf zu wiederholen, so wie man etwa einen Videofilm unterbricht, zurückspult und sich einen Abschnitt nach dem anderen vornimmt; wie sie sich am Morgen getroffen hatten, wie er über die Telefongespräche mit Tessie und Eva-Britt gegrübelt hatte, wie er vorgeschlagen hatte, sie sollten sich lieber draußen hinsetzen, da es noch nicht so heiß sei und die Palmen Schatten spendeten, wie das
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