Unterwegs im Namen des Herrn
Flug. Aber erst essen und runterkommen. Okay?«
Er stöhnt und nickt und zittert dabei am ganzen Körper. Während wir auf die Rechnung warten, frage ich Tomy per SMS , ob er uns für eine Nacht beherbergen kann.
In einem Lokal ein paar Häuser weiter bestellen wir Ćevapčići. Während das Essen vorbereitet wird, trinken wir im Fünfminutentakt doppelten Cognac. Dann bringt uns eine maßlos unfreundliche Kellnerin die Ćevapčići, und sie schmecken besser als alles, was ich in dieser Stadt bisher gegessen habe.
Ingo scheint an nichts anderes als an das Flugticket nach Wien denken zu können, denn er schlingt sein Essen hinunter, wodurch er mich zwingt, mich ebenfalls zu beeilen. Wir sind noch nicht ganz fertig, da bekommen wir beide entsetzliche Bauchschmerzen. Als wir von der Toilette zurückkehren, ist alles abgeräumt, auch unsere vollen Gläser sind weg, und die Kellnerin weigert sich, uns neue zu bringen, ohne diese extra zu berechnen.
»Wer hat diese Ćevapčići verbrochen?«, brüllt Ingo die Kellnerin an.
Sie weicht zurück, ein vierschrötiger Kerl kommt auf uns zu. Ich ziehe Ingo am Ärmel.
»Ich glaube, die Gospa schickt uns ein Zeichen«, sage ich.
»Sie hasst uns.«
»Und mit Recht.«
Die Suche nach einem Internetcafé dauert lange. Ich halte von Ingo mittlerweile zwei Meter Abstand, so intensiv ist seine Ausstrahlung, so sehr merkt man ihm an, dass er jeden Moment die Fassung verlieren könnte.
Nachdem wir das Dorf dreimal rauf- und runtergelaufen sind, finden wir eine gut versteckte Bar mit zwei Computern. Ingo fällt über die steinzeitlichen Geräte her, ich stelle mich an die Theke. Von Tomy noch keine Antwort. Das gefällt mir nicht, normalerweise antwortet er im Urlaub immer sofort, denn soweit ich weiß, steckt der den ganzen August über die Füße ins Meer und spielt an seinem Handy herum.
Wir sind die einzigen Gäste. Es ist unfassbar heiß und feucht. Nach dem ersten Drink ziehe ich mir das Hemd aus, ohne mich darum zu kümmern, was der Barkeeper sagt. Er sagt nichts. Nach dem zweiten fällt mir ein, dass meine Kreditkarte wegen gewisser Vorkommnisse vor ein paar Tagen in Berlin gesperrt worden ist.
»Kein Problem«, sagt Ingo, »ich buche beide auf meine Karte, und du überweist mir das Geld.«
Nach meinem dritten Drink, ich habe mich bereits mit dem italienischen Barkeeper angefreundet, der den ganzen Ort verabscheut und nur deshalb noch hier ist, weil seineFreundin nicht weggehen will, und schon gar nicht nach Turin, beginnt Ingo zu schreien. Er schreit und schreit, und es dauert eine Weile, bis ich verstanden habe, warum er sich so aufregt.
»Was heißt, du kriegst den Flug nicht mehr?«
»Er ist weg! Er ist weg! Es sind nur mehr die ganz teuren da! 1500 Euro pro Kopf! Aber mir egal, ich buche die jetzt …«
»Halt!« rufe ich. »Bist du verrückt, tausendfünfhu… versuch es woanders!«
Ich halte ihm ein Bier hin, aber er zieht nur an seiner Zigarette, als wäre es die letzte in seinem Leben, und hackt auf die Tastatur ein, dass ich förmlich darauf warte, sie auseinanderfliegen zu sehen. Das geschieht jedoch nicht, stattdessen brüllt Ingo auf, weil er es nun doch geschafft hat, die weniger teuren Flüge zu buchen.
»Ausdrucken! Kann man hier was ausdrucken?«
Ich frage den Barkeeper, der Ingo mustert, als sei er etwas sehr Bedrohliches. Zunächst zögert er, doch als Ingo seinen Aufstand intensiviert, geht plötzlich alles ganz leicht. Ingo druckt die Tickets aus und küsst sie.
»Sechsunddreißig Stunden! In sechsunddreißig Stunden sind wir zu Hause! Wir müssen nie mehr in diesen Bus einsteigen, nie mehr!«
»Ich schon«, sage ich düster, »morgen bringt er mich zum Kreuzberg.«
»Weißt du was?«, sagt Ingo nach einigem Sinnen. »Vielleicht gehe ich mit.«
»Auf den Berg? Nun doch?«
»Ich weiß ja jetzt, dass wir bald hier weg sind! Vielleicht gibt’s ein paar gute Fotos.«
Ich rufe meinen Vater an. Er klingt nüchtern, also kann ich davon ausgehen, dass er sich merken wird, was ich ihm sage. Ich halte mich auch nicht lange mit Vorreden auf.
»Du musst uns bitte morgen von hier nach Split bringen.«
»Was? Wieso?«
»Die Pilgerreise wird geändert. Wir fahren nach Split.«
»Aber wieso kommst du denn nicht her?«
»Eine Pilgerreise endet mit der Rückkehr an den Ausgangsort. Für mich zumindest. Außerdem muss Ingo zu seiner schwangeren Frau! Bitte bring uns morgen von Medjugorje nach Split.«
»Wer ist Ingo?«
»Ich!«, brüllt Ingo, der
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