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Unterwegs im Namen des Herrn

Unterwegs im Namen des Herrn

Titel: Unterwegs im Namen des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Hände.
    »Ivica, ich habe Fieber. Ich habe wirklich schon …«
    »Fieber! Das hier gut! Macht langsame Herz und ruhige Hand! Arzt was schneidet nimmt! Ist Beta!«
    Er springt auf und holt aus dem Wandschrank eineSchachtel Tabletten, die er vor mich auf den Tisch wirft. Ingo nützt die Gelegenheit abzuhauen, er winkt mir und legt die gefalteten Hände an die Wange. Ich zeige ihm den Mittelfinger, während ich mit der anderen Hand Ivicas Betablocker wegschiebe.
    »Ivica, machst du mir bitte Kaffee? Das würde mir am meisten helfen, danke!«
    »Kaffee! Ist sofort! Macht Ivica selbst für dich! Tückisch! Tückisch Kaffee!«
    Nun wäre eine gute Gelegenheit zu verschwinden, und gerade will ich aufstehen, da kommt die andere Frau aus dem Café daher und setzt sich zu mir. Sie nimmt zart meine Hand, zieht sie zu sich und betrachtet meine Uhr. Erst kapiere ich nicht, was sie da tut, denn wenn sie wissen wollte, wie spät es ist, hätte sie die Wahl zwischen ihrer eigenen Armbanduhr und einer vergoldeten Wanduhr mit dem Durchmesser von Big Ben. Als sie meine Hand loslässt und ich etwas wie Enttäuschung in ihrem Gesicht zu lesen glaube, wird mir klar, dass sie sich bloß für die Marke interessiert hat.
    »Wieso schaust du mir eigentlich nicht gleich ins Maul und zählst die Goldzähne?«, begehre ich auf, doch die Frau versteht mich nicht, sie rückt nur ein Stück von mir ab.        
    Die Musik, die vom Hafen heraufweht, nimmt weiter an Intensität zu. Zvonko neben mir deutet mit dem Daumen zum offenen Fenster: »Karl Koks.«
    Ich stehe auf und klettere über ihn hinweg. In diesem Moment kommt Ivica in seinem famosen Military-Aufzug mit dem Kaffee. Der Espresso ist stark genug, um Nachtwächter wach zu halten. Ich trinke ihn im Stehen.
    »Ivica, ich muss eine Stunde schlafen. Ich komme dann wieder raus.«
    »Warum du musst schlaffen? Bist du jung!«
    »Ich bin … ach was. Wir sehen uns in einer Stunde!«
    Ich deute auf mein Handgelenk, ich mache kreisende Bewegungen mit Daumen und Zeigefinger, als wollte ich die Uhr aufziehen. Zehn Sekunden später habe ich durch ein göttliches Wunder mein Zimmer gefunden und versperre die Tür, weitere zehn danach habe ich eine Parkemed geschluckt und liege angezogen zwischen verschiedenen Faltblättern und Broschüren auf dem Bett.
    Das Licht ist an, weil ich den Schalter nicht gefunden habe, doch das kümmert mich nicht. Ich will die Zettel auf den Boden werfen, da fällt mein Blick auf eine ziemlich unprofessionelle Karikatur, und ich lese, was darunter steht.
     
    HEILIGER GEIST – WER BIST DU?
TEIL IV – BOTSCHAFTEN MARIENS
    Die Leute im Zimmer waren ein Paar, Albert und Annie, die zum ersten Mal nach Indien als Touristen gingen. Als ich mich als Priester vorstellte, wollte er wissen, warum ich in Europa sei. Ich sagte »um die Bibel zu verkünden«. Sofort spottete er und sagte: »Gibt es heute solche Dummköpfe auf der Welt«. Ich antwortete »Es gibt viele solche Dummköpfe und ich bin einer davon«. Als er anfing, sich über der Versicherung seines Flugschein zu erkundigen, war er neugierig, zu erfahren, ob mein Flugschein besonders versichert sei, da sagte ich: »Ich und mein Flugschein sind schon lange bei der Firma Jesus versichert«. Er lachte laut und sagte »Ich dachte, Sie wären nur ein Dummkopf, aber jetzt weiß ich, dass Sie der grösste aller Dummköpfe sind. Mein Flugschein ist bei einer amerikanischen Firma gebucht.« Dann fugte er hinzu: »Ihr Leute in Indien, da ihr arm seid, braucht ihr vielleicht Gott, aber wir brauchen Ihn überhaupt nicht«.
    Als ich die Unterhaltung beendet hatte und zu Bett ging, betete ich für ihn. Am Morgen fingen wir wieder an, über viele Dinge zu reden und wir wurden Freunde. Auf dem Flug sassen wir nah beieinander. Als die grüne Licht anging, die Gurte zu öffnen, spürten wir eine aussergewöhnliche Hitze und eine gewaltige Erschütterung des Flugzeuges. Der Pilot beruhigte uns, indem er sagte, dass wir durch ein Luftloch fliegen würden, das Turbulenzen verursachen würde. Wir wurden aufgefordert, uns zu setzen und die Gurte zu schliessen. Das Flugzeug wurde sehr heftig geschüttelt und die Menschen fingen an, laut zu schreien aus Angst und Panik, weil sie dachten, die Maschine würde auseinanderbrechen. Obwohl der Pilot die Menschen mehrmals bat, ruhig zu sein, waren die Menschen nicht bereit, auf ihn zu hören oder ihm zu glauben, da sie einen Absturz befürchteten. Albert, der in meiner Nähe sass, fragte: »Was

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