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Unterwegs im Namen des Herrn

Unterwegs im Namen des Herrn

Titel: Unterwegs im Namen des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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wird wieder angestoßen. Er legt mir die Hand um die Schulter. Sein glänzendes Solariumsgesicht befindet sich ungefähr zehn Zentimeter vor meiner Nase.
    »Warum du sagst nicht, dass du hast Hunger? Musst du sagen andere Gast, mach mir Essen? Bist du meine Gast!«
    Erst glaube ich, er mache einen Witz, aber Ivica ist wirklich sauer, ich habe den Eindruck, er steht kurz davor, handgreiflich zu werden. Ich versuche ihm klarzumachen, dass ich überhaupt keinen Hunger hatte, aber das wäre wieder Andrea gegenüber unfreundlich. Zum Glück rettet mich Tomy, der meinen gekränkten Gastgeber mit irgendeiner Anekdote ablenkt.
    Ich schiebe mir die Penne hinein, nehme keinen weiteren Teller, bedanke mich und forsche weiter nach meinem Zimmer, denn mir sind meine Antibiotika eingefallen. Ich breche die Suche nach zwanzig Minuten ohne Ergebnis ab und kehre in die Wohnküche zurück, wo der allgemeine Rauschpegel noch gestiegen ist.
    Als ich eintrete, packt Tomy meinen Kopf und küsst meine Glatze, wodurch ich einiges an Wein auf Ivicas teurem Teppich verschütte, dann muss ich mit ihm anstoßen. In der nächsten Stunde wiederholt sich diese Szene mehrere Male, mein Kopf wird geküsst, Fusel wird getrunken. Meine Glatze hat es den Leuten hier angetan. Als Ivica wieder in seinen Boxershorts auftaucht, kann Tomy nur mit Mühe sein Lachen verbergen.
    Nachdem Andrea das Geschirr abgewaschen hat, eine Aufgabe, die sie sich weder von Ingo noch von mir abnehmen lässt, steht Tomy auf und nimmt seine Autoschlüssel vom Tisch.
    »Du kannst jetzt noch nicht gehen!«, ruft Ingo. »Du kannst uns nicht …«
    »Ich habe Gäste. Ich muss. Ihr habt es ja edel hier!«
    Wir bedanken uns bei Andrea für das Essen, was einenheftigen Wortwechsel zwischen Ivica und Tomy auslöst. Ich verstehe durchaus, dass es hier um die gekränkte Ehre eines Gastgebers geht, doch der Grund für die Intensität der Auseinandersetzung ist mir ein Rätsel. Tomy winkt uns kurz, schnappt sich seine Lederjacke und ist weg. Andrea, ihr Mann und die anderen werfen uns über die Schulter Luftküsse zu und folgen ihm. Auf einen Wink von Ivica hin geht Zvonko ihnen nach. Hundegebell ist zu hören, Tomys Stimme, das Kreischen einer Frau, Gelächter.
    Ivica fasst mich um die Schulter und schleppt mich ins Feigenzimmer. Er riecht nach Schweiß. Ingo begleitet uns, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Ich ziehe mein Hemd über, um nicht weiter zur allgemeinen Nacktheit beizutragen.
    Eine Frau aus dem Café sitzt am Couchtisch. Ivica drückt mich auf den Platz neben sie.
    »Ivica, ich bin ziemlich müde.«
    »Nicht müde! Kommt Karl Koks! Party!«
    Ich stöhne und bitte um etwas Mineralwasser, um wenigstens die Stahlhand auf meiner Schulter loszuwerden. In diesem Moment erscheint jedoch Zvonko, der von Ivica in die Küche geschickt wird.
    »Ivica?«
    »Was, mein Freund?«
    »Was bist du wirklich von Beruf?«
    »Bin ich Krankenschwester.«
    Die Frau aus dem Café setzt sich auf die Armlehne von Ingos Fauteuil. Sie rückt ihm ein wenig zu nah, woraufhin er seine Geldbörse herausholt und beginnt, ihr die Fotos seiner Kinder zu zeigen, und ich höre auch »Tanja«, »wife«, »pregnant«, was die Frau auf der Armlehne nicht im geringsten zu beeindrucken scheint, zumindest weicht sie keinenZentimeter von Ingos Seite. Nachdem Ivica eine Weile meinen Oberschenkel geknetet und Witze gerissen hat, wechselt auch er hinüber zu Ingo, wo er die andere Armlehne des Fauteuils besetzt.
    Ich überlege, ob es okay wäre, mich zu verdrücken, und komme längere Zeit zu keinem Entschluss. Gerade als ich mir sage, Ingo würde Verständnis aufbringen, ich habe schließlich Fieber, setzt sich Zvonko neben mich, füllt ein Wasserglas bis randvoll mit Whisky, stößt stumm mit mir an und zeigt mir sein Handy.
    »Karl Koks!«
    »Ja, Karl Koks«, wiederhole ich stumpf.
    Ivica ruft Zvonko etwas zu, der Name von Karl Koks fällt erneut, und Zvonko wählt eine Nummer. Offenbar hebt niemand ab. Wenn ich richtig verstehe, meldet er nun Ivica, dass Herr Koks noch immer nicht abhebt. Ivica flucht. Mein Telefon läutet, es ist der Tennislehrer, ich drücke den Anruf weg.
    »Kriegst du essen und trinken, alles, was du willst!«, ruft Ivica mir zu, wobei er mit der Hand versehentlich über Ingos Haar streift.
    »Ja, danke. Pfah, Ingo, weißt du, was der Tennislehrer von mir wollen könnte?«
    »Welcher Tennislehrer?«
    »Der aus … ach, egal.«
    »Was ist? Nicht schlaffen! Party!« Ivica klatscht in die

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