Unterwegs in der Weltgeschichte
Jahrhundert noch auf Heraklit setzt, hat Charles Darwin auch nicht gekannt. Als er 1821 auf der Sträflingsinsel St. Helena an Magenkrebs stirbt, ist der kleine Charles erst zwölf Jahre alt. Aber zwei Dinge hat er am Ende doch mit ihm gemein: Auch er nimmt gewaltigen Einfluss auf die Entwicklung seines Jahrhunderts. Und auch er entsteigt dem relativen Dunkel der Geschichte.
Denn dieser Napoleon Bonaparte ist ein geborener Nobody, der sich zu der Zeit, da Ludwig XVI. am Hofe von Versailles noch im letzten Glanz seines Sonnenkönigtums schwelgt, mit seinen sieben Geschwistern auf der kargen Felseninsel Korsika um den spärlich gedeckten Tisch drängt. Der Vater, ein eher schlecht situierter Advokat, ist ein gemäÃigter korsischer Salon-Revoluzzer, bereit, für die Unabhängigkeit seiner Heimat zu kämpfen, solange es gegen die schwachen Kaufleute aus Genua geht, die die Insel zu dieser Zeit besitzen; aber mit der schnellen Bereitschaft, sich den viel stärkeren Machthabern zu beugen, als Korsika 1769 vom starken Frankreich käuflich erworben wird. Auch sein Sohn hat ein untrügliches Gespür für die richtige Windrichtung, aus der die neue Macht weht. Schnell stellt der junge Napoleon fest, dass man »nach Paris gehen muss, um es zu etwas zu bringen«, wie er später freimütig bekennt.
Eine clevere Entscheidung. Aus dem eigenbrötlerischen Kadetten der Militärakademie, der bei der einsamen Lektüre über Alexander den GroÃen im Stillen von Ruhm und Ehre träumt, wird in den Wirren der Französischen Revolution ein 24-jähriger Brigadegeneral, treu ergeben den radikalen Jakobinern und ihrem vernunftmörderischen Anführer Robespierre.
Aber die Zeiten der Revolution sind gleichwohl unsicher. Mancher General, der eine Schlacht verliert, verliert danach auch seinen Kopf, wegen »Hochverrats«. Und als es eines Tages plötzlich Robespierre ist, der unter die Guillotine gelegt wird, tendieren auch die Karrierechancen seines Parteigängers schlagartig gegen null: Als Sympathisant des hingerichteten Revolutionsführers wird Napoleon ins Gefängnis geworfen.
Wie so oft in der Weltgeschichte ist es jetzt der überraschende Zufall, der zum »Vater der Geschichte« wird. Und wenn man Glück hat, kennt man eben die richtigen Leute. Als sich das neue »Direktorium«, der fünfköpfige Exekutivrat der Revolution, einer Bedrohung durch einen Aufstand junger Adliger gegenübersieht, wird Napoleon von einem Bekannten empfohlen. Als Mann fürs Grobe. Brutal lässt Napoleon den Aufstand zusammenschieÃen, wird dafür rehabilitiert und erneut mit dem Generalsstatus belohnt. Tapfer übernimmt er das Kommando einer eher kläglichen Freischärler-Armee, die den glorreichen Sieg der Revolution auch nach Italien tragen soll.
Eigentlich ein Himmelfahrtskommando, aber Napoleon erweist sich als begnadeter Motivator und genialer Stratege seiner Truppe. Insbesondere ist es die neue, revolutionäre Kampftechnik, die sich als überaus effektiv erweist: Sogenannte Tirailleurs , Scharfschützen, bewegen sich auÃerhalb der festen Kampfformationen und töten als Einzelkämpfer Offiziere und Truppführer der Gegner. Napoleons rigorose Taktik zielt darüber hinaus darauf, den Gegner nicht bloà zu schlagen, sondern ihn tatsächlich gänzlich zu vernichten.
So erobert er ganz Oberitalien â und sendet bei dieser Gelegenheit eine Reihe bedeutender italienischer Kunstwerke nach Paris. Diese Beutekunst für den Louvre ist Teil seines Kulturprogramms und zeigt die andere Seite des brutalen Eroberers: Als Schöngeist plant er innovative, volkspädagogische MaÃnahmen der Geschmackserziehung, die er später auch mit Dutzenden Museumsgründungen wirklich umsetzt. AnschlieÃend zieht er gegen Ãsterreich und zwingt den schwachen Kaiser, alle deutschen Gebiete jenseits des Rheins abzutreten.
Jetzt noch gegen das mächtige England anzugehen erscheint selbst einem Napoleon allzu gewagt. Aber England an seiner empfindlichsten Flanke zu schwächen ist ein Plan, der gelingen könnte. Das unter englischer Herrschaft stehende Ãgypten wird das neue Ziel des Unersättlichen, der sein gigantisches Ego nun auch mit religiösem Pathos unterfüttert und von »Vorsehung« spricht.
Bei unserer Reise durch die Weltgeschichte haben wir immer wieder erlebt, wie es herausragende Persönlichkeiten mit oft
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