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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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jener Insel vor der italienischen Küste, die eher zufällig in den Besitz Frankreichs geriet?
    Jetzt ist es dieser kleine Korse, der auch noch das tausendjährige Heilige Römische Reich Deutscher Nation endgültig zu Fall bringt. 1806 sieht Kaiser Franz II. den politischen Realitäten ins Auge und legt den uralten Kaisertitel unter dem Druck Napoleons ab. Damit bricht der geschichtlich gewachsene Brückenschlag zwischen Antike und Neuzeit unwiderruflich ab. Bereits 1803 war unter dem massiven Drängen des antiklerikalen Frankreich im sogenannten Reichsdeputationshauptschluss, der letzten großen gesetzlichen Beschlussfassung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, die Auflösung aller geistlichen Fürstentümer vereinbart worden, also die Auflösung all jener Territorien, in denen seit der Zeit Karls des Großen die Bischöfe wie landesherrliche Fürsten regierten.
    Der »Reichsdeputationshauptschluss« – eines der schönsten Wortungetüme deutscher Sprache – beendet 1803 die weltliche Herrschaft der Kirche, den Staat im Staate. Dennoch bleiben »Thron und Altar« im Zeitalter der Heiligen Allianz verbündet, und noch Bismarck muss Zivilehe und staatliche Schulaufsicht gegen die katholische Kirche durchsetzen.
    Gleichzeitig schrumpfte mit der Enteignung des Kirchenbesitzes die Zahl der vielen hundert Klein- und Kleinstfürstentümer in Deutschland, weil die kirchlichen Territorien als Entschädigung für den Verlust der linksrheinischen Gebiete den weltlichen Fürsten übereignet wurden. Für Kaiser Franz I I. (1768–1835) bedeutete diese Entwicklung freilich eine weitere Schwächung seiner Stellung im Reich. Denn mit dem Verschwinden der zahlreichen geistlichen Fürstentümer schrumpfte die Zahl der reichsunmittelbaren Herrschaftsgebiete von einigen hundert auf nur mehr 34.
    So brachte Napoleons Vordringen nach Deutschland in der Bilanz drei Tendenzen hervor, die die Zukunft Deutschlands entscheidend geprägt haben: die Schwächung des alten europäischen Kaisertums, die Verminderung der zahllosen Kleinterritorien und die Vergrößerung der souveränen Großfürstentümer.
    Im selben Jahr, da sich Kaiser Franz II. zwangsweise zu Kaiser Franz I. von Österreich herabstufen muss, geht Napoleon erfolgreich gegen den letzten starken Widerständler Preußen vor und versucht von hier aus eine Blockadepolitik gegen England. Er hofft, die Insel aushungern zu können, wenn er schon gegen die starke Seestreitkraft nicht ankommt. Bei Napoleons triumphalem Einzug in Berlin wird zwar offiziell ein Bündnis mit Preußen verkündet, aber unterschwellig mit dieser Zwangsvermählung zugleich schon der Keim gelegt zur französisch-preußischen »Erbfeindschaft«, die in den kommenden 150 Jahren noch viel schreckliches Blutvergießen verursachen wird.
    1809, nach der Schlacht bei Wagram, reitet Napoleon endlich auch in Wien ein, in das einstige Herz des europäischen Kaisertums. Er ist am Ziel. Vorläufig. Franz muss gute Miene zum bösen Spiel machen und gibt dem neuen starken Mann seine Tochter zur Frau. Gezwungenermaßen. Denn wie wird sich der abgedankte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches dabei wohl gefühlt haben? Zu seiner politischen Ohnmacht gesellt sich jetzt noch die bittere Gewissheit, dass sich mit dieser Heirat 500 Jahre Habsburger Herrlichkeit mit dem Blut eines ehemaligen korsischen Habenichts vermischen müssen.
    Aber wer fragt noch nach Blut, wenn es um einen politischen Supermann geht, der inzwischen ein Reich beherrscht, das größer ist als dasjenige Karls des Großen? Oder wie es der Zeitgenosse Goethe als politischer Beobachter einmal nüchtern – an den deutschen Adel adressiert – konstatiert hat: »Schüttelt nur an euren Ketten. Der Mann ist euch zu groß!«
    Andererseits ist die Weltgeschichte voller Paradoxien. Ein »großer Befreier« kann sich schnell als »großer Diktator« entpuppen. Politische Stimmungen können über Nacht kippen. Ein Sieg mobilisiert oft Gegenkräfte, die sich auf lange Sicht als wirkungsvoller erweisen als der größte Triumph. Und plötzlich denken dann alle wie Beethoven.
    Der erste hartnäckige Widerstand durch den Freiheitskämpfer und Viehhändler Andreas Hofer (1767–1810) in Tirol setzt trotz, oder gerade wegen, seiner Erfolglosigkeit nationale Kräfte frei.

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