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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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Friedrich den Großen überflügelnde Sohn und Nachfolger der österreichischen Kaiserin Maria Theresia, Joseph II. (1741–1790), der sofort nach Regierungsantritt 1780 in Österreich die Leibeigenschaft der Bauern aufhob, die Todesstrafe abschaffte, ein weitreichendes religiöses Toleranzedikt erließ und darüber hinaus in seiner relativ kurzen Regierungszeit gut 6000 (!) Edikte verfasste, um den Vielvölkerstaat Österreich in ein modernes Land zu verwandeln, hatte bereits 1777 seiner Schwester Marie Antoinette, die mit Ludwig XVI. verheiratet war, fast prophetisch ins Gewissen geredet: »So kann es auf Dauer nicht fortgehen, und die Revolution wird furchtbar sein, wenn du ihr nicht vorbeugst.«
    Die Mahnung stieß auf taube Ohren. Auf den alarmierenden Hinweis, die Pariser Bürger hätten kein Brot mehr, soll Marie Antoinette den ultimativen Satz vollendeter Herrschafts-Ignoranz gesprochen haben: »Dann sollen sie doch Kuchen essen!« Aber das ist nur erfunden, wenn auch gut. Denn damit ist treffend die gesellschaftliche Kluft beschrieben, die sich zu diesem Zeitpunkt über fast zwei Jahrhunderte hinweg zu einer unüberbrückbaren Schlucht vertieft hatte.
    So wartet am 21. Januar 1793 der Henker auf ihren Gemahl, der als »Bürger Louis Capet« öffentlich unter die Guillotine gelegt wird. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass in dieser Phase der Revolution König und Königin gleichsam das Opfer einer konzertierten Rettungsaktion werden. Denn die Drohung eines preußischen Feldherrn, Paris dem Erdboden gleichzumachen, wenn die Revolutionäre es wagen sollten, das königliche Schloss zu stürmen, geht nach hinten los. Die preußische Drohgebärde stempelt Ludwig XVI ., ob er will oder nicht, zum Verbündeten Preußens und damit zum Staatsfeind Nummer 1. Zumal da Preußen tatsächlich im Verbund mit Österreich gefährlich nah an das revolutionäre Paris heranrückt. In dem Moment, da die Monarchie in ihren Grundfesten erschüttert wird, verbrüdern sich die ehemaligen Erzfeinde, um dem ehemaligen Erzfeind Frankreich zu Hilfe zu eilen.
    Denn der revolutionäre Angriff auf die Monarchie wird vom herrschenden Adel europaweit als Generalangriff auf die gottgewollte Weltordnung verstanden. Und da im Herbst 1791 bereits die radikalen Anhänger einer monarchiefreien Republik, die sich nach ihrem ursprünglichen Treffpunkt im Kloster St. Jakob »Jakobiner« nennen, in der Nationalversammlung die Oberhand gewinnen, gehen die europäischen Adelshäuser jetzt aufs Ganze. Ein Krieg ganz neuer Art bricht aus, der nun nicht mehr über Gebietsansprüche unterschiedlicher Länder entscheiden soll, sondern der über 23 Jahre hinweg in ganz Europa die Frage zu klären sucht, wer denn nun das Recht zu herrschen hat: der Adel oder das Volk.
    Mit nur einer Stimme Mehrheit entscheidet sich der Nationalkonvent am 20. September 1792, die radikale Demokratie zu verwirklichen und dem König den Kopf abzuschlagen. Von Frankreich aus solle »die Freiheit und das Glück der Welt ihren Ursprung nehmen«, so kommentiert Maximilien Robespierre (1758–1794), einer der radikalsten Anführer der Jakobiner. Aber auch er wird erfahren, dass die entfesselte Revolution am Ende ihre Kinder frisst: Am 28. Juli 1794 fällt auch sein Kopf in den Korb des Henkers.
    Der junge Rechtsanwalt Robespierre ist der Beweis dafür, zu welchen Exzessen auch die Aufklärung fähig ist. Mit großer Rednergabe, einem messerscharfen Verstand und der eiskalten Logik eines Killers ausgestattet, errichtete er ein Terrorregime sondergleichen. Ein Mann, der Sätze sagte wie: »Wir wollen in unserem Land den Egoismus durch Sittlichkeit ersetzen, den Glanz durch die Wahrheit«, ist zugleich fähig, Tausende dem Henker zu überantworten und »jeden mit dem Tod zu strafen, der in der Revolution auch nur passiv ist«. Die von ihm inszenierten Konvent-Ausschüsse tragen so wohlklingende Namen wie »Wohlfahrtsausschuss«, sind aber in Wirklichkeit Menschenvernichtungsmaschinen. Er selbst lässt sich als der »Unbestechliche« feiern. Das mag sogar stimmen, unbestechlich in Hinblick auf seine rationale Grausamkeit. Als exklusiver Verwalter des Volkswillens betrachtet er alle seine Entscheidungen über Tod und Leben als unfehlbar.
    Die ursprüngliche Hoffnung, im scharfen Verstand endlich ein Mittel gefunden zu haben,

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