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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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Napoleons mitreißende Revolutionsverheißung weicht zunehmend einer Ernüchterung über den rücksichtslosen Herrscher, der ein paar Jahre später einmal dem österreichischen Kanzler Fürst von Metternich gestehen wird: »Ich bin im Felde aufgewachsen, und ein Mann wie ich schert sich wenig um das Leben von einer Million Menschen!«
    An Napoleons Konsequenz schärft sich zunehmend die nationale deutsche Idee. Letztlich ist er es, dessen Taten bei vielen Deutschen die Sehnsucht nach eigener Identität und nationaler Zusammengehörigkeit wecken und dessen imperiales Vorpreschen den lange vorherrschenden französischen Kultureinfluss mehr und mehr überschattet. Die deutschen Dichter und Denker der Romantik beginnen den Schatz der deutschen Sprache zu heben und entdecken bisher vernachlässigte Traditionen und Geschichten, wie sie jetzt aus dem Dunkel der mündlichen Überlieferung auftauchen, etwa mit der Märchenforschung der Brüder Grimm oder der Volksliedsammlung »Des Knaben Wunderhorn« von Clemens Brentano und Achim von Arnim. Deutschland beginnt sich im Lichte der napoleonischen Kriege als eigene Nation zu entdecken und seine Vergangenheit wertzuschätzen.
    Und wie löst sich am Ende der Knoten? Im Grunde ganz einfach. In gewisser Weise besiegt Napoleon sich selbst. Denn brennender Ehrgeiz kann zur schärfsten Selbstmörder-Waffe werden, die sich denken lässt.
    1812 ist das Jahr, in dem das Blatt sich wendet. Napoleon zieht mit 700 000 Mann die bis dahin größte Armee aller Zeiten zusammen, um noch Russland in die Knie zu zwingen. Der vorgegebene Anlass für den gewaltigen Überfall ist eher nichtig: Angeblich treibt Russland Handel mit England und sabotiert damit die Blockadepolitik. Der geplante militärische Triumphzug nach Moskau aber gerät zum militärischen Fiasko. Die Strategie der Russen ist immer dieselbe. Schon Peter der Große hat so die Schweden im Nordischen Krieg besiegt, und 140 Jahre später wird sich auch Hitler die Zähne daran ausbeißen: Die Russen lassen ihr unendlich weites Land für sie kämpfen.
    Was sind schon 700 000 Mann in einem Reich, das vierzigmal größer ist als Frankreich und gut ein Sechstel des Festlandes der Erde ausmacht? Die russische Taktik der verbrannten Erde verhindert, dass sich die heranrückende Armee aus den Beständen der eroberten Landstriche ernähren kann. Erst als Napoleon endlich vor den Toren Moskaus steht, kommt es zur großen Schlacht von Borodino, die für Napoleon zwar sieg-, aber zugleich mit 80 000 Toten äußerst verlustreich ausgeht. Als seine Truppen Moskau besetzen, ist die Stadt leer und steht bald schon in Flammen. Und was ist zu tun, wenn der Zar, der nun eigentlich ehrerbietig die Waffen strecken sollte, sich nicht einmal zeigt?
    Der Rückmarsch durch den russischen Winter und die ausgeplünderten Landstriche besiegelt das Schicksal der Grande Armée endgültig, spätestens als bei der Überquerung des vereisten Flusses Beresina Kosaken über die geschwächte Truppe herfallen. An der Memel, beim Eintritt in das preußische Reichsgebiet, wird klar, dass kaum fünf Prozent der Soldaten diesen Feldzug des Schreckens überlebt haben. Napoleon selbst hat sich bereits verkleidet in einem Bauernschlitten nach Paris abgesetzt und bastelt an dem Plan, wiederum Abertausende neuer Soldaten zu rekrutieren, um den Verlust an Menschenmaterial schnell wieder wettzumachen.
    Doch sein Stern ist gesunken. In der Welt, aber auch in Paris. Was ist ein Sieger, der nicht mehr siegt? Einer, der über Hunderttausende von Leichen geht? Die Gegner wittern Morgenluft. Zuerst ist es Preußen, das plötzlich mit Russland gegen Napoleon paktiert. Nach kurzer Atempause schließt sich Österreich an, Schweden und England sind auch dabei. Mit der dreitägigen Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 findet die Herrschaft Napoleons in Deutschland ihr Ende. Ein halbes Jahr später ziehen der russische Zar und der preußische König in Paris ein. Nach einem vergeblichen Selbstmordversuch dankt Napoleon am 6. April 1814 ab.
    Unter dem österreichischen Kanzler Clemens Wenceslaus Lothar Fürst von Metternich (1773–1859) beginnt die Rückabwicklung, die Einebnung von zwanzig Jahren europäischer Geschichte. Ziel auf dem Wiener Kongress (1814/15) ist die Wiederherstellung der vorrevolutionären Verhältnisse.

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