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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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Naturkräfte in umfassender Weise in den Dienst der eigenen Sache zu stellen. Den Dampf arbeiten zu lassen, anstatt die eigenen Muskeln gebrauchen zu müssen. Elektrische Ströme sprechen zu lassen, statt mühsam selbst Botschaften von Ort zu Ort zu transportieren. Mit heißer Luft zu fliegen. Auf Stahlbändern sich pfeilschnell durch die Welt zu bewegen. Die eigene Stimme, Musik und Bilder konservierbar und jederzeit abrufbar zu machen. Mit Chemikalien über das Wachstum der Pflanzen zu herrschen. Den Lebensrhythmus ganz nach Wunsch zu beschleunigen. Mit der Technik alle alten Grenzen, auch die des Denkens, aufzubrechen.
    Wir müssen gar nicht weit in der Weltgeschichte zurückreisen, um diese folgenschwerste aller Revolutionen live mitzuerleben. Unsere Ururgroßväter könnten tatsächlich noch Augenzeugen dieses gewaltigen Umbruchs gewesen sein.
    Im Jahr 1802 zum Beispiel. Da machen die Engländer erste Versuche mit Dampfschiffen, nachdem sich bereits 1769 der englische Arbeiter James Watt die Dampfmaschine hatte patentieren lassen. Und im November 1783 waren die ersten Flugpioniere der Weltgeschichte in einem Ballon der Gebrüder Montgolfier über Paris aufgestiegen. Fast zeitgleich mit dem ersten Raddampfer des amerikanischen Malers und Technikpioniers Robert Fulton macht 1804 die erste Lokomotive des Erfinders Richard Trevithick ihre ersten Fahrversuche. 1821 wird dann in England eine Eisenbahnlinie eröffnet.
    Seit 1825 befreien Spinnmaschine und mechanischer Webstuhl von der Mühsal der Handarbeit. In das Jahr 1837 fallen gleich zwei weltbewegende Erfindungen: Der amerikanische Maler Samuel Morse entwickelt den Telegrafen, und der Franzose Louis Daguerre schießt das erste brauchbare Foto, die »Daguerreotypie«. Die Entwicklung von Kunstdünger durch Justus von Liebig revolutioniert die Landwirtschaft. Das leichteste Metall der Welt, Aluminium, wird durch Elektrolyse aus Bauxit gewonnen, und in Bochum erfindet Jacob Meyer das Stahlgussverfahren. 1853 rattert die erste U-Bahn unter den Häusern Londons hindurch. Die Entdeckung der Bakterien durch Robert Koch weckt Hoffnungen, die größten Geißeln der Menschheit endlich zu besiegen. Die mendelschen Gesetze des österreichischen Abts Gregor Mendel schaffen die Grundlage für systematische Tier- und Pflanzenzucht.
    1870 wird im Schlachthaus von Chicago das erste Fließband montiert, eine Neuerung, die bald die gesamte Arbeitswelt revolutionieren wird und den Begriff der »Effizienz« in die Welt bringt. Thomas Alva Edison zeigt 1880 den Menschen, was Elektrizität alles leisten kann, und erleuchtet ihre Räume gänzlich rußfrei mit einem strahlenden Glaskolben. Zu dieser Zeit schaffen es die Gleisbauer bereits, das europäische Schienennetz pro Jahr um 10 000 Kilometer zu erweitern. Die räumliche Entfernung zwischen den Menschen schrumpft schneller, als es die mentale Distanz zwischen den Nationen vermag. Ganz am Ende des Jahrhunderts lernen dann auch noch die fotografischen Bilder laufen, die Kutschen ohne Pferde zu fahren, und man kann sich jetzt sogar über riesige Entfernungen unterhalten, ohne sich dabei sehen zu müssen. Die verrückte Erfindung von Philipp Reis und Graham Bell, das Telefon, funktioniert tatsächlich. Und sogar der Himmel gehört seit Otto Lilienthal nicht nur Gott und den Engeln, sondern jetzt auch den Piloten.
    Gibt es ein treffenderes Symbol für diese Zeit, in der die Sterne zum Greifen nahe scheinen, als das Stahlgerippe, das Gustave Eiffel 1889 in Erinnerung an die Französische Revolution auf dem Pariser Marsfeld errichtete? Mit nur 10 000 Tonnen Gewicht und einer Höhe von 300 Metern, die allerdings bei Winterkälte um bis zu 15 Zentimeter schrumpfen, ist diese Fachwerkkonstruktion das leichteste Bauwerk dieser Größe, das je gebaut wurde. Und – im wahrsten Sinne des Wortes – das Zeugnis einer veränderten Welt-Anschauung.
    Probieren Sie es doch selbst einmal aus: In den alten gotischen Kathedralen geht Ihr Besucherblick bestimmt von unten nach oben. Kaum, dass Sie das Kirchenschiff betreten haben, schauen Sie mehr oder weniger ehrfürchtig Richtung Decke, wie die Menschen vor Ihnen auch, die sich so ihrer Kleinheit vor Gott bewusst werden sollten. Bei den modernen Bauwerken wie dem Eiffelturm geht der Blick andersherum: Mit dem elektrischen Fahrstuhl saust man zügig an den höchsten Punkt, um von dort aus mit

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