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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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Die Siegermächte gehen dabei durchaus klug und behutsam vor. Denn Europas Machtgefüge ist so sensibel wie eine Apothekerwaage. Um Frankreich nicht vollends zu destabilisieren und damit Russland allzu viel Gewicht zu überlassen, werden die alten Grenzen von 1792 zugestanden. Napoleon darf seinen Kaisertitel behalten und mit 800 Getreuen auf der winzigen Mittelmeerinsel Elba »residieren«. Der Bruder des hingerichteten Bourbonen-Königs Ludwig XVI. besteigt jetzt als Ludwig XVIII. den französischen Thron.
    Alles auf Anfang. Das Gleichgewicht der europäischen Mächte ist wieder sorgfältig austariert. Und noch einmal startet der Adel mit der vom russischen Zaren angeregten »Heiligen Allianz« den letzten Versuch, das Gottesgnadentum aller Monarchen gegen den revolutionären, agnostischen Trend der Neuzeit abzuschotten: Jesus Christus sei der wahre Souverän aller europäischen Völker; die Monarchen seien die gottgewollten Familienväter ihrer gehorsamen Untertanen; und das Christentum sei Grundlage aller Politik.
    Es könnte so schön sein. Aber dieser Bund von Thron und Altar fällt bereits hoffnungslos gegen die Realitäten der aufgeklärten Zeit zurück, beschert Europa gleichwohl jene lange und etwas langweilige Friedenszeit, die als Epoche des Biedermeier in die Geschichtsbücher eingegangen ist.
    Nur noch einmal wird Napoleon mit militärischem Geschick ein Comeback versuchen und Europa aus seinem beginnenden biedermeierlichen Schlaf kurzzeitig aufschrecken. Über hundert Tage hinweg kann er, als er im März 1815 überraschend in Südfrankreich landet, erneut das europäische Gleichgewicht bedrohen. Denn unter den Franzosen findet er rasch viele Anhänger, die den glorreichen Zeiten glänzender Siege nachträumen. Doch in der Schlacht bei Waterloo unterliegt Napoleon den Engländern unter Wellington im Verbund mit den preußischen Truppen der Generäle Blücher und Gneisenau. Um nicht in die Hände der Preußen zu fallen, die nach dieser neuerlichen Attacke mit dem unbequemen Korsen wohl kurzen Prozess machen würden, flüchtet Napoleon zu den Engländern. Die finden mit der abgelegenen Atlantikinsel St. Helena einen sicheren und endgültigen Verbannungsort. Hier wird er sechs Jahre später auf einem alten Feldbett sterben.
    Wenn Sie heute im Pariser Invalidendom vor dem gigantischen Quarzit-Sarkophag stehen, in dem Napoleon erst vierzig Jahre nach seinem Tod zur Ruhe kam, dann werden Sie vielleicht einen starken Widerspruch empfinden: den Widerspruch zwischen dem riesigen, unbeweglichen Super-Size-Sarg in Mammutgröße und dem unruhigen Leben des doch so kleinen, quirligen Selfmade-Mannes, der ganz Europa aufmischte und doch niemals Erfüllung fand. Und bedenken Sie dann bitte, was übermäßige Selbstliebe in Verbindung mit Minderwertigkeitsgefühlen alles anrichten kann. Und wägen Sie in Ihrem Geiste jenes Urteil Napoleons über sich selbst, das er nach der Völkerschlacht zu Leipzig in tiefer Resignation gegenüber Metternich bekannte. Es war sein lebenslanges, furchtbares Mantra: »Eure Herrscher, geboren auf dem Throne, können sich zwanzigmal schlagen lassen und doch immer wieder in ihre Residenzen zurückkehren. Das kann ich nicht, ich, der Sohn des Glücks! Meine Herrschaft überdauert den Tag nicht, an dem ich aufgehört habe, stark und gefürchtet zu sein.«



33. Fahrstuhl in eine neue Welt
    G enau so sieht ein kunstvoller Dom der Neuzeit aus. Eine Kirche des Fortschritts. Ein technisches Heiligtum mit elektrischem Fahrstuhl. Für die Menschen am Ende des 19. Jahrhunderts versammelt sich in diesem ursprünglich rotbraunen Gittergerüst des Eiffelturms alles, was den festen Glauben an die Moderne repräsentiert: das Machbare, das Industrielle, die technische Verlässlichkeit, der Vorrang von Mathematik und physikalischer Berechenbarkeit, der Triumph des Fortschritts, der himmelstürmende Glaube an eine bessere Zukunft.
    Wir haben es auf unserer Zeitreise andauernd gesehen: Politik verändert die Welt. Aber Wissenschaft und Erkenntnis verändern die Welt noch mehr. Doch fragt man, was im 19. Jahrhundert die Verhältnisse am nachhaltigsten durcheinandergewirbelt hat, dann lässt sich darauf kurz und knapp antworten: die technische Beherrschung der Natur.
    Es war ein Paukenschlag der Geschichte: Zum ersten Mal gelang es der Menschheit, die

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