Unterwegs in der Weltgeschichte
nun für anderthalb Jahrtausende ein blühendes Zentrum jüdischer Kultur wird.
Gehen Sie nicht nach Babylon. Dort finden Sie nur Ruinen. Und einen zweifelhaften Archäologiepark, mit dem sich der prestigesüchtige irakische Diktator Saddam Hussein als neuer Nebukadnezar feiern lassen wollte. Diese Nachbauten können zwar ein Bild von den einstigen Dimensionen vermitteln, gefährden aber die antiken Mauerreste und blockieren weitere Untersuchungen.
Gehen Sie lieber noch einmal durch das Ischtar-Tor in Berlin. Und bewundern Sie, bevor Sie sich verabschieden, die Tierfiguren, die die babylonischen Götter darstellen. Am besten nehmen Sie die Löwen, die einst die 230 Meter lange ProzessionsstraÃe der untergegangenen Metropole geschmückt haben. Schon 1902 konnte der erste Babel-Ausgräber Robert Koldewey einen von ihnen aus den glasierten Ziegelfragmenten, die er in den Ruinen Babylons gefunden hatte, rekonstruieren.
Seither haben die makellos komponierten blau-gelben Mosaiken der Raubtiere Millionen Menschen aus aller Welt fasziniert. Schon auf den ersten Blick ist zu erkennen, wie präzise die antiken Künstler auf die Fugenverteilung achteten, um alles Bruchstückhafte zu vermeiden und das anmutig-majestätische Tier â ein Symbol der Göttin Ischtar â möglichst wenig zu zerschneiden.
Babylon leuchtet, noch immer.
4. Das Lächeln des Sphinx
M ischwesen, männlich, liegend, Löwenkörper, Menschenkopf: Was ist das? Auch wenn Sie es erraten â das Geheimnis bleibt.
Er ist der Vater aller Rätsel, er ist das Rätsel schlechthin, kein offizielles Weltwunder, das hatte er nie nötig, aber weltberühmt und weltweit der Erste und Mächtigste seiner Art: der groÃe Sphinx von Giseh, 74 Meter lang, zwanzig Meter hoch, sechs Meter breit.
Seit über vier Jahrtausenden ragt das Kalksteinwesen aus dem Sand der ägyptischen Wüste und bewahrt trotz der beschädigten Nase königliche Haltung. Es scheint zu lächeln, aber es verrät nicht, was in ihm vorgeht. Noch immer erweckt es den Eindruck, als sei es im Besitz aller Geheimnisse dieser Erde.
Auch wenn Sie ganz nahe an ihn herantreten und ihn ansprechen, wird der Löwenmensch nicht antworten. Vielleicht ist das auch gut so. Wenn Sphingen zu sprechen beginnen, sprechen sie oft in Rätseln. Und auch wenn Sie das Rätsel lösen, nimmt das Verhängnis meist seinen Lauf. So ging es Ãdipus, der Ihnen vielleicht nicht ganz unbekannt ist. Aber der gehört nicht hierher, sondern nach Griechenland. Und dort war das Mischwesen weiblich.
Dieser Sphinx, der Sphinx, eine Verkörperung des Sonnengottes Re-Harachte, soll nur einmal gesprochen haben. Ein gutes Jahrtausend nach seiner Errichtung durch den Pharao Chephren, den Sohn des Cheops, um 2500 v. Chr. hatte ihn der Sand fast begraben. So versprach er dem, der ihn davon befreien würde, den ägyptischen Thron. Sein Retter war â noch im Prinzenalter â der spätere König Thutmosis IV. Er legte den unglücklichen Sphinx frei, und die Prophezeiung wurde erfüllt.
Das war zu Beginn des 14. Jahrhunderts v. Chr. Ãgypten war zur maÃgebenden Macht im Mittelmeerraum und in Vorderasien geworden und hatte seine gröÃte territoriale Ausdehnung erreicht â rund 1700 Jahre nach dem Zusammenschluss des nördlichen (Unterägypten) und südlichen Landesteils (Oberägypten), der als Gründungsdatum des ägyptischen Einheitsstaates gilt.
Der sagenumwobene König Menes soll diese erste politische Fusion um 3000 v. Chr. zustande gebracht haben. Der Name des wirklichen Reichseinigers bleibt allerdings unbekannt, und die blutige Unterwerfung der Bewohner des Nildeltas, die Zehntausende von Gefallenen forderte, sollte noch mehrere Jahrhunderte in Anspruch nehmen.
Erst als um 2734 v. Chr. Pharao Chasemui den Thron besteigt, gelingt es ihm, den letzten Widerstand in Unterägypten zu brechen. Als das Jahrhundert zu Ende geht, sind die wesentlichen Grundlagen der pharaonischen Zivilisation etabliert: ein Gottkönig an der Spitze des Territorialstaates, der vom ersten Katarakt und der Nilinsel Elephantine im Süden bis zum Mittelmeer reicht; eine effiziente Beamtenschaft und eine ertragreiche Landwirtschaft; ein vielschichtiger Götterglaube und ein aufwendiger Totenkult, der zum Bau groÃartiger Monumente führen wird.
Aber das ist noch nicht alles. Schon ein halbes Jahrtausend zuvor hatte
Weitere Kostenlose Bücher