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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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ein einfacher Beamter, dem Kontrolle und Registrierung der für den Pharao angelieferten Waren über den Kopf wuchsen, eine revolutionäre Idee gehabt. Da die mündliche Verständigung nicht mehr ausreichte, setzte er die Gegenstände, Lebewesen, Vorgänge und Begriffe, mit denen er zu tun hatte, in konkrete Bildzeichen um, die durch Zeichen für den Lautwert und die Bedeutung des jeweiligen Wortes ergänzt wurden. Die Hieroglyphen, die die Ägypter als »Schrift der Gottesworte«, die Griechen als »heilige Zeichen« benannten, waren erfunden – der entscheidende Schritt zur Hochkultur.
    Dennoch wurden die wichtigsten, die existenziellen Voraussetzungen für die Entfaltung der ägyptischen Geschichte und Kultur wesentlich früher geschaffen. Kaum ein anderes Land der Erde ist durch die geografischen Gegebenheiten so geprägt worden wie das Reich der Pharaonen.
    Mit Herodots unsterblicher Formel, dass Ägypten, das Reich der Unsterblichkeit, ein »Geschenk des Nils« sei, ist im Grunde alles gesagt. Flusskilometer für Flusskilometer und über Tausende von Jahren hinweg hat der größte Strom Afrikas, mit 6671 Kilometern zugleich der längste der Erde, Leben geschaffen, Kultur gestiftet und Kontinuität gelehrt.
    Hochkulturen sind Menschenwerk. Aber die Natur ist es, die dieses Werk ermöglicht. Für Ägypten gilt dies auf einzigartige Weise. Erweisen wir also dem Natur raum, in dem sich der Staat der Pharaonen so glanzvoll entfalten konnte, ein Stück Reverenz. Unternehmen wir, weil es so selten geschieht, den Versuch einer Landvermessung.
    Ã„gypten hat Kontur. Man hat seinen Umriss vor Augen. Viel leichter als andere Mächte der Geschichte lässt es sich lokalisieren. Auf dem Atlas stellt es sich als ungefähres Viereck dar, dessen Seiten grob gerechnet je tausend Kilometer lang sind. Die Nordgrenze und die Ostflanke sind durch das Mittelmeer und die Küste des Roten Meeres klar bestimmt, die Grenzen im Westen und im Süden führen durch kaum besiedelte Wüstenlandschaft.
    Diesen riesigen Wüstenraum trennt das schmale Bewässerungsband des Nils in zwei ungleich große Teile: die eintönig-flache libysche Westwüste und das ebenfalls wüstenhafte, aber bis über 2000 Meter ansteigende östliche Randgebirge, das sich jenseits des Golfs von Suez auf der Sinai-Halbinsel fortsetzt. Es ist eine auf der Erde einmalige Situation, dass ein wasserreicher Fluss, sozusagen ein aus dem äquatorialen Afrika kommender Fremdling, den Trockengürtel von Süden nach Norden in seiner ganzen Ausdehnung durchquert und dort eine meist nur wenige Kilometer breite, aber rund 1200 Kilometer lange Stromoase ermöglicht. Ihr kompletter Flächeninhalt erreicht nicht einmal die Ausdehnung Belgiens.
    Die Kraft, diesen lebensfeindlichen, insgesamt fast 2000 Kilometer langen Trockengürtel zu durchbrechen, bezieht der Nil aus einem riesigen Einzugsgebiet im zentralafrikanischen Hochland. Dort entwässert der als »Weißer Nil« definierte Stromarm mit seinen Zubringern und Verzweigungen ein innertropisches Gebiet, das mehrere hundert Kilometer über den Äquator nach Süden und somit in die Zone dauerhafter Niederschläge reicht.
    Die für das alte Ägypten lebenswichtige Flut- und Schlammwelle rollt aber über den »Blauen Nil« heran, der sich bei Khartum in den weiß-gelben Hauptstrom ergießt, welcher hier schon die Hälfte seines Laufs hinter sich hat. Blauer Nil und, in geringerem Maße, auch der Altbara, ein weiterer Nebenfluss, entwässern das äthiopische Hochland, das im Sommer heftigen Regenfällen ausgesetzt ist. Der äthiopische Regen spült viele mineralische Nährstoffe aus basisch-vulkanischem Gestein in die Flüsse, die dann in feinsten Teilchen über mehr als tausend Kilometer bis in die ägyptischen Oasen transportiert werden.
    Dort wird das Wasser in den zu flachen Becken gestalteten Feldern zum Stillstand gebracht, so dass die Schwebstoffe absinken können. Auf diese Weise legte der Nil jährlich eine fruchtbare Decke aus düngendem Schlamm auf die Felder des Flusstals: die Lebensgrundlage der antiken Hochkultur. Und Ägypten wurde »das schwarze Land«. Das griechische Wort aigyptos ist bei Homer der Name des Nils.
    Die drei unterschiedlichen Vegetationsbereiche, die es in pharaonischer Zeit (ebenso wie im heutigen Ägypten) gab, beeinflussten die

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