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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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religiösen und gesellschaftlichen Lebens bildeten, Herrschafts- und Wirtschaftszentrum zugleich waren, dann ist das verklärte Ideal einer friedvollen, auf Schönheit, Luxus und Lebenskunst gestimmten Kultur so gut wie vollständig. Zumal da wehrhafte Bauten mit Befestigungswällen oder Verteidigungsgräben völlig fehlen.
    Wer das Meer hat und das Meer beherrscht wie die Kreter, braucht keine Burgen und Mauern. Schwimmender Schutzschild der Insel war die Flotte. Während andere Hochkulturen dieser Zeit, etwa die der Ägypter oder der Bewohner Mesopotamiens, nur einfache Flussboote kannten, verfügten die Minoer bereits über hochseetüchtige Schiffe. Sie waren so schnell, dass sie in anderthalb bis zwei Tagen alle Küsten des östlichen Mittelmeers erreichen, aber in kurzer Zeit auch weit nach Westen vorstoßen konnten. Ausgangspunkt für den Warenexport waren insbesondere die beiden Häfen Amnissos und Heraklion, die zu Knossos gehörten.
    Dieses Seefahrtsmonopol machte Kreta, das durch seine Lage am Schnittpunkt dreier Kontinente ohnedies eine geopolitische Schlüsselposition innehatte, über ein Jahrtausend lang zur beherrschenden Handelsmacht der Antike. Doch wer sich so nachhaltig mit der Natur verbündet, erfährt auch ihre Nacht- und Schattenseiten. Immer wieder sollen Feuer und Erdbeben die Blütephasen der minoischen Kultur zerstört haben. Aber immer wieder bauten ihre Bewohner die glanzvollen Paläste erneut auf.
    So ist auch der gewaltige Vulkanausbruch, der im späten 17. Jahrhundert (vermutlich 1628) v. Chr. die Nachbarinsel Thera (heute Santorin), Stützpunkt und florierende Filiale der minoischen Kultur, buchstäblich in die Luft sprengte, von der Forschung lange Zeit überschätzt worden. Immerhin soll der Explosionsdonner dieser Naturkatastrophe von Zentralafrika bis nach Skandinavien und vom Persischen Golf bis zu den Felsen von Gibraltar zu hören gewesen sein.
    Fast noch beeindruckender war das kulturelle Echo, das bis heute nachwirkt, sich angesichts fehlender Augenzeugenberichte und anderer authentischer Überlieferungen aber ausschließlich auf eine, freilich höchst prominente Quelle stützt: Platons Erzählung über das versunkene Inselreich Atlantis.
    Beharrlich und in sich wiederholenden Anläufen von der Antike bis zur Moderne ist dieses Filetstück abendländischer Fantasie mit historischen Ereignissen in Verbindung gebracht worden. Für Kreta indessen gilt: Die Katastrophe von Santorin markierte höchstens einen Einschnitt, nicht aber den beginnenden Untergang der minoischen Kultur. Auf den Fundamenten der alten Paläste wurden neue und größere errichtet. Knossos blühte wieder auf und wurde endgültig zum religiösen Zentrum der Insel; diese sogenannte zweite Palastzeit wird auf etwa 1625 bis 1400 v. Chr. datiert. Und da wir gerade bei der Faktenprüfung sind: War Kreta überhaupt jemals die Insel der Seligen, der oft berufene Hort ansteckender Friedfertigkeit und Freizügigkeit.
    Schon der minoische Haus- und Grundmythos lässt daran zweifeln: die blutrünstige Sage vom Minotaurus, jenem kannibalischen Ungeheuer, das – man nehme den Schwab zur Hand – durch einen sodomitischen Akt der kretischen Königin Pasiphaë zur Welt gekommen war. Der Unhold, halb Mensch, halb Stier, hauste im Labyrinth des Minos.
    Es dürfte die labrys genannte Doppelaxt gewesen sein – das Symbol der kretischen Kultur schlechthin –, welche dem irrgartenähnlichen Bau den Namen gab. Dem Monster, das darin lauerte, wurden alljährlich sieben Jungfrauen und sieben Jünglinge aus Athen geopfert. Bis es den Athenern zu bunt wurde und sie Theseus gen Kreta in Marsch setzten. Er stöberte den Minotaurus in den Irrgängen des Labyrinths auf und tötete ihn. Den Weg zurück wies ihm der ausgerollte Wollfaden, den er zuvor von der Minos-Tochter Ariadne erhalten hatte.
    Mag schon diese Episode, zumal da sie denn doch – siehe Schwab – kein richtiges Happy End hat, nachdenklich stimmen, so brachten jüngere Ausgrabungen die kretische Idylle endgültig ins Wanken. 1979 legten Archäologen einen Kultbau in Anemospilia bei Archanes frei, vierzig Kilometer südlich von Knossos. Das Gebäude scheint kurz nach einem Menschenopfer durch ein Erdbeben eingestürzt zu sein.
    Das Dach begrub einen auf dem Altar liegenden jungen Mann, eine Priesterin und einen

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