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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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Gewänder kleideten. Und als Luther zu einem nationalen Helden und Schöpfer der deutschen Sprache gekürt wurde, mit Goldrand-Abbildungen und kiloschweren Neuausgaben der Lutherbibel. Dabei war der Reformator Martin Luther (1483–1546) alles andere als ein Romantiker. Er war einfach ein Kind seiner Epoche, die als eine des »Grobianismus« bezeichnet werden kann: unaufgeklärt, brutal, abergläubisch, roh und einigermaßen unkultiviert.
    Wie so oft spielt auch in der Geschichte von Luther und dem Papst das liebe Geld eine wesentliche Rolle. Weil die Päpste, die um 1500 in Rom hauptsächlich ihrer Macht und Pracht frönten, die alte Konstantin-Basilika durch einen prestigeträchtigen Weltwunderbau, nämlich den Petersdom, ersetzen wollten, benötigten sie eine üppige Finanzspritze.
    Das Mal-, Bildhauer- und Architekturgenie Michelangelo hatte eine Kuppel von ungeheurer Dimension entworfen, der kein Architekturliebhaber widerstehen kann. Schon gar nicht ein Renaissance-Papst. So verwandelte Leo X. (1513–1521) das Ablasswesen, das seit dem frühen Mittelalter eigentlich dazu gedacht war, den tapferen Teilnehmern der Kreuzzüge göttliche Vergebung ihrer Sünden zu garantieren, in eine sprudelnde Finanzquelle.
    Ablassbriefe, die gegen Geld Absolution von allen Sünden gewährten, überschwemmten Anfang des 16. Jahrhunderts Europa wie haussierende Wertpapiere. »Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer in den Himmel springt«, reimten die Ablasshändler sehr werbewirksam.
    Der unbedeutende Augustinermönch Luther in Wittenberg, der schon als Novize seinen Beichtvater unablässig mit der Frage nervte, durch welche Bußleistung er denn nun von seiner Sündhaftigkeit wirklich befreit werden könnte, ist entsetzt: Er will nicht akzeptieren, dass man ohne Reue, aber mit klingender Münze die Sündenvergebung erlangen könne. Seiner Meinung nach könne nur eines einen Sünder retten: die Güte Gottes. Und die sei nicht käuflich. Es komme vielmehr auf den rechten Glauben an. Auf den Glauben, dass es allein Christus sei, der mit seinem Tod am Kreuz die Erlösung der Menschen bei Gott erwirkt habe. Mit Geld lasse sich da gar nichts machen.
    Â»Sola fide, sola scriptura, sola gratia, solus Christus«, also: nur durch den Glauben, nur durch die Heilige Schrift, nur durch die Gnade Gottes, Christus allein (durch seinen Opfertod) – mit diesen vier Grundsätzen ist die Essenz der lutherischen Theologie umrissen.
    In der Konsequenz steckt in diesen vier Prinzipien aber nichts weniger als eine Kriegserklärung an die katholische Kirche! Denn nicht nur, dass Luther mit dem »sola fide« das Individuum mit seiner ganz persönlichen Entscheidung in den Mittelpunkt des christlichen Glaubens rückt und die »Institution Kirche« damit zur Nebensache erklärt – mit dem Hinweis auf die Bibel als die allein selig machende Richtschnur erklärt er auch sämtliche päpstlichen und amtskirchlichen Erlasse für Makulatur. Die leidigen Ablassbriefe sowieso.
    Jeder sei ab sofort sein eigener Priester. Es bedürfe keiner institutionellen Vermittlung in Glaubensfragen. Überall und immer könne man mit Jesus Christus in Kontakt treten. Auch ein Priester sei nichts anderes als ein normaler Mensch, denn von »Priesterweihe« stehe überhaupt nichts in der Bibel. Und außer dem Abendmahl und der Taufe sei in der Heiligen Schrift überhaupt keines von den Sakramenten zu finden, die die Kirche so würdevoll und exklusiv austeile: kein Ehesakrament, keine Firmung, keine Totensalbung, kein Bußsakrament. Alles bloß kirchliche Erfindung.
    Am 31. Oktober 1517 lässt Dr. Martin Luther seine gesammelte Meinung drucken. Das mit der Schlosstür, an die er trotzig seine Thesen genagelt haben soll, ist eine Legende. Und wenn er es doch getan hätte? Mutig wäre es, gewiss. Aber eigentlich ist es eher eine naive, unfreiwillige Heldentat. Denn für den Hochschullehrer Doktor Luther ist es einigermaßen selbstverständlich, das Grundsatzpapier bekannt zu geben, so wie es damals eben üblich war, wenn man eine akademische Disputation in einer Universitätsstadt vom Zaun brechen wollte. Mit dem Sturm, der dann von diesen 95 Thesen ausging, rechnete Luther nicht im Traum.
    Beinahe war es schon ein alter Hut, was der Reformator da anmahnte. Bereits hundert Jahre zuvor hatte nämlich

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