Unterwelt
leer war. Ich ging in die Küche zurück und knipste das Licht aus. Dann ging ich ins Wohnzimmer und betrachtete das pfirsichbraune Sofa. Es war neu, ein Ding zum Anschauen und Aufsichwirkenlassen, das sich der Raum mit der Zeit einverleiben würde. Damit war der Fluch vom Klavier genommen. Wir hatten ein Klavier, auf dem keiner spielte, eins von Marians Erbstücken aus ihrer Big-Ten-Town, ein Objekt wie ein Eisbärenfell, das uns alle mit seinem früheren Leben tyrannisierte.
Ich knipste das Licht im Wohnzimmer aus, aber zuvor warf ich noch einen Blick auf die Bücher in den Regalen. Ich stand im Zimmer, schaute mir das pfirsichbraune Sofa an und den Rajasthani-Wandbehang und die Bücher in den Regalen. Dann knipste ich das Licht aus. Dann sah ich nach dem anderen Licht, dem Licht im hinteren Flur, um sicherzugehen, daß es noch an war, falls meine Mutter in der Nacht aufstehen mußte.
Wieder stand ich in der Tür. Marian sah fern, mit Leib und Seele. Sie steckte sich eine neue Zigarette an, und ich ging ins Schlafzimmer.
Ich stand da und schaute mir die Bücher in den Regalen an. Dann zog ich mich aus und legte mich ins Bett. Sie kam etwa eine Viertelstunde später. Ich wartete, daß sie anfing, sich auszuziehen.
»Was spüre ich da?«
»Was meinst du?« fragte sie.
»Zwischen dir und Brian.«
»Was meinst du?« fragte sie.
»Was spüre ich da? Das meine ich.«
»Er bringt mich zum Lachen«, sagte sie schließlich.
»Seine Frau bringt er auch zum Lachen. Aber zwischen ihnen spüre ich nichts.«
Sie überlegte, was sie darauf entgegnen sollte. Vielleicht war es eine amüsante Bemerkung, nicht das, was ich beabsichtigt hatte. Sie sah mich an und ging hinaus. Ich hörte über den Flur, wie die Dusche lief, und begriff, daß ich alles falsch gemacht hatte. Ich hätte das Thema anschneiden sollen, als ich in der Tür stand und sie fernsah. Dann hätte ich derjenige sein können, der rausgeht.
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6
W ir legten ihr eine Schachtel von dem Alka-Seltzer mit Geschmack hin, das sie mochte, und wir brachten sie in einem ruhigen Zimmer unter, in Lainies altem Zimmer mit dem neubeschichteten Spiegel und dem Fernseher mit dem großen Bildschirm.
Nicht lange vorher hatte Jeff aufgehört, die ausgebeulten Shorts zu tragen und die Baseballkappe verkehrt herum aufzusetzen, und allmählich sah er wieder wie er selber aus. Sein PC hatte eine Multimedia-Funktion, so daß er sich eine Kopie des berühmten Videos anschauen konnte, auf dem zu sehen war, wie der Texas Highway Killer einen Autofahrer erschoß. Jeff geriet völlig in den Bann dieser Bilder, entwickelte Prozeduren und Programme und Filtertechniken, um Hintergrundmaterial herauszuholen. Er suchte nach verlorenen Informationen. Er vergrößerte und verlangsamte extrem, auf der Suche nach irgendeinem Pixel in dem Datenschwarm, das einen Hinweis auf die Identität des Schützen liefern konnte.
Das Gerät wog nur hundert Gramm, und es zeigte die Entfernung, die ich zurücklegte, die Kalorien, die ich verbrannte, und sogar die Länge meiner Schritte – einfach ans Gürtelband meiner Hose geklemmt.
Ich war elf Jahre alt, als er Zigaretten holen ging, ein warmer Abend, die Männer spielten Pinokel in ihrem Nachbarschaftstreff, überall auf der Straße Radiostimmen, irgendeiner hat immer das Radio an, und sie brachten ihn weit raus, in die Nähe von Orchard Beach, wo die Küstenlinie ganz schrundig ist von den vielen abgelegenen kleinen Buchten, und sie warfen ihn in die untere Welt, sein Körper hing im Seetang, im weichen organischen Schlick. Nicht daß ich mich wirklich an das Wetter oder die Kartenspieler erinnerte. Es gibt immer ein Radio und einen, der Karten spielt.
Zu Hause wollten wir sauberen, sicheren, gesunden Müll. Wir spülten leere Flaschen aus und legten sie in den entsprechenden Abfalleimer. Wir entfernten getreulich das krumplige Papier aus unseren Cornflakes-Schachteln. Es war, als bereiteten wir einen Pharao auf Tod und Beerdigung vor. Wir wollten die kleinen Dinge richtig machen.
Er schrieb nie auch nur eine Zahl auf. Er hatte einen Kopf für Zahlen, ein Gedächtnis für Zahlen.
Wir statteten sie mit dem Luftbefeuchter aus, den Bügeln, dem guten, harten Bett und der Frisierkommode, die Marian gehört hatte, als sie heranwuchs, ein ansehnliches Stück mit einer eigenen Geschichte.
In dem Bronzeturm schaute ich hinaus auf die dunkelbraunen Hügel und fühlte mich beruhigt und wohlverteidigt, sicher in meinem abgeteilten Büro und meinem
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