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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Richtung Süden. Und Hunde, die uns anbellten – sie kläfften und sprangen hoch und liefen japsend ineinander, während wir über die Mobile Homes trudelten, von einem Hund zum anderen, dann tauchten neue Hunde am Rande auf, mitten im Sprung gekrümmt, Hunde aus dem Nichts, die das Gejapse und Geheule vervielfachten, eine galoppierende Seuche, die die ganze Welt aufweckte.
    Dann waren wir draußen über der offenen Weite, knochenbraune Erde, tief im Schatten, und wir hingen in der weichen Luft, schwebten in einer körperlosen Flaute, und ein Schwall Schöpfung strömte an uns vorbei.
    Der Pilot öffnete energisch das Fahrventil, und wir hörten die Brenner pulsieren und fauchen, das brachte Marian wieder zum Lachen. Sie redete und lachte die ganze Zeit, glücklich und verängstigt. Der Korb war nicht groß, er faßte gerade mal uns drei plus Propanzylinder, Ventile, Drähte, Instrumente, aufgerollte Wurfleinen. Jedes schnaubende Auflodern des Propans schickte eine mannshohe Flamme in den offenen Schlund des Nylons, das sich über uns aufblähte.
    Jerry, der Pilot, sagte: »Der Wind soll genau so bleiben, wie er ist. Dann schaffen wir es gerade so, denke ich. Aber wir brauchen mucho Glück.«
    Das brachte uns beide zum Lachen. Lachend waren wir leichter als Luft, und der Ballon wirkte weniger wie ein Stück Wissenschaft, eher wie ein improvisiertes Gebet . J erry regulierte den Brenner und behielt das Pyrometer im Blick, gab genug Wärme nach, um das normale Abkühlen der Luft in der Stoffhülle auszugleichen. Es war ein Spiel, ein überlebensgroßes Spielzeug, in das wir eingeflochten waren, und unsere Augen wurden groß beim Anblick der zischenden Flammen.
    Der Ballon war gestreift wie ein Lutscher, und als Jerry nach Süden zeigte, entdeckten wir eine Straße und ein Auto, das Verfolgerauto, ein passend gestreifter Kleinbus mit einem kleinen offenen Anhänger für Ballon und Korb.
    Die emporschießende Flamme, der verzögerte Aufstieg und Marian: »Das aufregendste Geburtstagsgeschenk aller Zeiten.«
    »Das ist noch gar nichts«, sagte ich.
    »Wie bist du darauf gekommen? Ich habe mir das schon immer gewünscht, ohne es selbst zu wissen. Oder vielleicht wußte ich es, aber war noch nicht so weit, es wirklich zu planen. Du mußt meine Gedanken gelesen haben.«
    Dann fügte sie hinzu: »Mir war gar nicht klar, wie sehr ich das gebraucht habe, einfach mal rauszukommen und diese Landschaft wiederzusehen. Zu sehr in der Arbeit vergraben. Aber ich hätte mir nicht träumen lassen, daß es von hier oben aus sein würde. Als du gesagt hast, vier Uhr früh, da dachte ich, was soll das denn für ein Geburtstag sein.«
    »Jetzt weißt du es«, sagte ich, »aber du weißt erst die Hälfte.«
    Wir schmiegten uns aneinander, mein Arm um ihre Schulter und Schenkel an Schenkel, und wir wurden gerüttelt und durchgewirbelt, ohne uns jedoch zu drehen – innerlich durchgewirbelt, das Blut aufgewirbelt zu quicklebendigen Sinnen. Meine freie Hand umschloß eine Eisenstange, Teil des starren Rahmens, an dem die Korbseile befestigt waren, und ich konnte spüren, wie das Metall in meiner Faust atmete.
    Etwa zwanzig Minuten später berührte mich Jerry an der Schulter und zeigte direkt geradeaus, und ich sah den ersten Tupfer Sonnenlicht auf Flügelspitzen. Das Objekt tauchte allmählich aus der Entfernung und dem Dunst auf, das rechteckige Gittermuster nunmehr vollständig, Reihen von Flugzeugen erschienen wie eine Einheit zusammengehöriger Teile, eine gestaltete Struktur aus lackiertem Stahl in der einfarbigen Umgebung.
    Jerry sagte: »Also, wenn die Luftwaffe uns nicht den Arsch wegschießt, tuckern wir da mal drüber.«
    Und das taten wir auch, in einer Höhe von etwa hundertzwanzig Metern. Ich spürte, wie Marian über dem gepolsterten Rand des Korbs hing, einem zittrigen Hampelmann gleich. Das Werk war ein aufwühlender Anblick, Explosionen und Schlangenlinien von Farbe, eine Kraft in der Erde, und sie zerrte an meinem Pullover und schaute mich an.
    Nach dem Motto, wo sind wir, was sehen wir da, und wer hat das gemacht?
    Die Voranstriche waren weniger aggressiv, als sie zuvor gewirkt hatten. Die Rottöne waren gedämpft, durch Verwitterung oder andere, tiefer eingedrungene Farben zurückgenommen, und dadurch fügten sie sich gut in das Ganze. An einer Stelle zogen sich ordentliche Schrägstriche über die Rümpfe, wunderschön gemischte Blautöne, auch mattblau und bläulich. Ein großartiger, flußähnlicher Schwung zog sich

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