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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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alles aus allen Schränken. Ich goß das Mineralwasser über Eiswürfel in ein hohes Glas und warf ein Zitronenscheibchen dazu. Holte den Kartoffelwodka aus dem Gefrierschrank, rauchigkalt, und erinnerte mich daran, was ich ihr hatte sagen wollen. Ich schnitt eine Sichel Zitronenhaut ab und warf sie in ein Portweinglas.
    Ich wollte etwas über Brian sagen.
    Ich hatte eine Zeitlang versucht, Portwein zu trinken, um mal zu sehen, wie es sich anfühlen würde, wie es klingen würde, ein Portweinglas, ein Südwein, und jetzt benutzte ich das Portweinglas für meinen Wodka, den ich eingoß, sirupkalt und opal.
    Ich hörte den Dialog aus dem Film am anderen Ende des Hauses.
    Ihre Haut war rein wie Camay, ihre Haare waren dunkel und glatt, normalerweise trug sie sie kurz, kurz war problemlos. Ihre Stimme war ausgeprägt, tief und klangvoll, irgendwie vokalrund und erotisch, besonders am Telefon oder im Schlafzimmerdunkel, mit einem Brandyrauschen darin oder einem winzigen Hauch kehlig-nächtlicher Lust.
    Früher hatte sie im Kirchenchor ihrer Big-Ten-Town gesungen – das war ihr Spitzname für ihre Heimatstadt, eine von zehn notorisch sportbegeisterten Universitätsstädten im Mittleren Westen –, ihn aber wegen irgendeiner Herabsetzung, irgendeiner vermeintlichen Beleidigung verlassen – wie würde sie es hassen, wenn sie mich »vermeintlich« sagen hörte.
    Ich reichte ihr das Mineralwasser, und sie sagte etwas über Brian. Ich dachte, vielleicht wollte sie meine eigene Bemerkung über Brian vorwegnehmen, die sie dank der routinemäßigen Deutung aller Signale im ehelichen Fühlkino schon auf sich zukommen sah.
    »Hat er wieder einen Film empfohlen, bei dem am Schluß alle in einen Hochwasserkanal rennen und sich gegenseitig abknallen?«
    »So baut Brian den Druck ab, Brian zu sein.«
    Mir fiel eine Party ein, wo sie sich mit einem Mann in eine Ecke des Raums verdrückte, den wir beide flüchtig kannten, einem Universitätspoeten mit langem, zurückgekämmtem Haar und fleckigen Zähnen, und ständig lachte – er redete, sie lachte, unschuldig genug, könnte man sagen, oder überhaupt nicht unschuldig, aber vollkommen akzeptabel, eine Party ist eine Party, und wenn das Getue zu lange dauert, wer außer dem Ehemann merkt es? Und später sagte ich zu ihr. Das war vor langer Zeit, als die Kinder noch klein waren und Marian Auto fuhr, ohne einen Stift in der Hand zu halten. Später sagte ich zu ihr, selbstgewiß, denn darum ging es ja, mit übertriebener Würde zu sprechen, aus den Tiefen meiner Persönlichkeit, und mich zugleich auf die Schippe zu nehmen, weil man das auf Parties so macht.
    Ich sagte, Ich leide an einer seltenen Krankheit, die mediterrane Männer befällt. Sie heißt Selbstachtung.
    Ich stand in der Tür und schaute mir den Film mit ihr an.
    »Ob Jeff wohl ewig bei uns wohnen bleibt, was meinst du?«
    »Könnte schon sein.«
    »Der Job auf der Diätfarm. Geplatzt?«
    »Denk schon.«
    »Hat er nichts gesagt?«
    »Ich gucke das gerade«, sagte sie.
    »Hast du die Zeitungen gemacht?«
    »Ich habe die Flaschen gemacht. Morgen ist Flaschentag. Laß mich das gucken«, sagte sie. »Wir gucken es zusammen.«
    »Du weißt nicht, worum es geht. Ich gucke das schon seit eineinviertel Stunden.«
    »Ich komm schon rein.«
    »Ich will hier nicht ewig lange rumerklären.«
    »Du brauchst keinen Ton zu sagen.«
    »Lohnt sich nicht, diesen Film zu erklären«, sagte sie.
    »Ich komm schon rein, einfach durchs Gucken.«
    »Aber du störst mich«, sagte sie.
    »Ich setz mich ruhig hin und gucke nur.«
    »Du störst schon, wenn du nur guckst«, sagte sie.
    Die Bemerkung gefiel ihr, sie hatte einen Hauch von Erkenntnis, und Marian rekelte sich grinsend in einer Art verdrehtem Gähnen, Hüften und Beine gerade, Oberkörper abgeknickt. Ich wußte wohl, was sie meinte, daß die Gegenwart eines anderen das Gleichgewicht durcheinanderbringt, die Einheit mit der Flimmerkiste. Sie wollte mit einem schlechten Film allein sein, und ich machte den Dauerkritiker.
    »Du arbeitest zuviel«, teilte ich ihr mit.
    »Ich liebe meine Arbeit. Halt den Mund.«
    »Kaum höre ich auf, zuviel zu arbeiten, arbeitest du zuviel.«
    »Ich gucke das hier.«
    »Du brauchst überhaupt nicht zuviel zu arbeiten.«
    »Wenn er gleich versucht, sie umzubringen, bin ich sauer.«
    »Vielleicht zeigen sie es ja nicht.«
    »Im Off meinetwegen. Soll er es ruhig mit einer Kreissäge machen. Hauptsache, ich brauche es nicht zu sehen.«
    Ich guckte zu, bis mein Glas

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