Untitled
geben wir Ihnen Ihr Pferd wieder.«
»Aber wozu muß ich denn noch einmal in die Polizeidienststelle zurückkommen?«
»Weil noch viele Dinge ungeklärt sind«, schnitt Spampinato das Gespräch ab.
Er blieb ein Scherge, und deshalb räsonierte er auch ganz wie ein Scherge, obwohl er korrupt war und schmutzig, innerlich wie äußerlich. Die Möglichkeiten waren zwei, da gab es keinen Zweifel: Wenn Bovara ein Irrer war, der den Mord einfach nur erfunden hatte, wieso war der Pfarrer dann verschwunden? Wenn der Mord aber stattgefunden hat, wieso sollte Bovara dann einen Tatort angeben, der in Wirklichkeit ein anderer war?
Sie bestiegen die Kutsche. Giovanni brauchte Hilfe, um den Fuß auf das etwas hohe Trittbrett zu bekommen. La Mantìa setzte sich neben Giovanni, Spampinato ihm gegenüber. Nach einer Weile fragte Giovanni: »Habt ihr Padre Carnazza gefunden?«
»Nein«, antwortete Spampinato kurz. Das waren die einzigen Worte, die sie auf der ganzen Fahrt miteinander wechselten.
Sieben Stunden im rasenden Lauf, ohne auch nur einmal anzuhalten, nicht einmal, um zu pinkeln: Michilinu hatte das Pferd so angetrieben, daß es am Ende seiner Kräfte war und Schaum vor dem Maul hatte. Donna Trisìna war in der Kutsche so kräftig durchgeschüttelt worden, daß sie meinte, ihre Wirbelsäule sei gebrochen. Ihr Steißknochen tat weh. Nach Valledolmo war Michilinu auf den Weg nach Liminùsa abgebogen, dem Ortsteil innerhalb der Latifundie Roccella, deren Landaufseher Pino war, der Mann ihrer Schwester Agata. Michilinu, der seine Herrin schon einmal an diesen Ort begleitet hatte, stieg ab und klopfte an die Tür, dieweil Donna Trisìna Mühe hatte, sich wieder an den Gebrauch ihrer Beine zu gewöhnen. Die Türe wurde geöffnet und Pino erschien mit einer Leuchte in der Hand. Er redete kurz mit Michilinu, dann rief er: »Agata, deine Schwester Trisìna ist da.« Und er lief herbei, um der Schwägerin beim Aussteigen behilflich zu sein, die immer schon sein Blut in Wallung gebracht hatte. Nur hatte sich bis zu diesem Augenblick die günstige Gelegenheit nicht ergeben. »Was für eine schone Überraschung!«
»Ach, Pinuzzo mio! Ich bin tot! Vor lauter Angst, vor lauter Müdigkeit!«
»Aber warum denn Angst, Trisine? Hier ist doch dein Schwestermann Pinuzzo, der beschützt dich!« Und er umarmte sie. Trisìna ließ sich umarmen. Pinuzzo drückte sie ein bißchen fester als nötig. Trisìna ließ sich ein bißchen fester drücken als nötig. Der Schwager küßte sie keusch auf die Stirn. Trisìna legte ihren Kopf an seine Brust.
Und in diesem Augenblick erschien Agata in der Türe, mit einem Überwurfmantel ihres Gatten über der Schulter und einer Leuchte in der Hand. »Trisine! Freude meines Herzens! Was ist geschehen?« Pino löste sich aus der Umarmung. Die nächste Gelegenheit würde sich ergeben.
Attilio Lagumina, offiziell der Eigentümer der Mühle »San Benedetto«, war gerade dabei, das Tor abzuschließen und nach Hause zu gehen, um sich hinzulegen, weil er jeden Morgen um vier aufstand, um wieder an die Arbeit zu gehen, als er hörte, daß sich ein Pferd im Galopp näherte.
»Lagumina!«
»Feierabend! Kommt morgen früh wieder!« Er konnte schließlich nicht jedem zu Diensten stehen, der außerhalb der Arbeitszeit auch noch mit einem halben Sack Kichererbsen ankam.
»Für mich ist Eure Mühle immer geöffnet!« Er erkannte die arrogante Stimme Sciaverio Pipitones, der hin und wieder bei ihm auftauchte, um ihm Anweisungen zu überbringen.
»In dieser Dunkelheit hab ich dich nicht erkannt, Sciave.« Pipitone stieg vom Pferd und kam näher. »Was machst du gerade?«
»Siehst du's nicht? Ich schließ' ab.«
»Schließ wieder auf.«
Ohne nach dem Grund zu fragen, gehorchte Lagumina. Sie gingen in die Mühle. »Mach Licht und schließ die Tür.«
Attilio tat, wie ihm geheißen, machte den Mund aber immer noch nicht auf.
»Willst du ein Glas Wein?«
»Nein. Ist der Inspekteur heut' morgen gekommen?«
»Ja.«
»Hat er alles in bester Ordnung vorgefunden, wie ich's dir gesagt hatte?«
»Sicher.«
»Heute morgen ist er nicht hier gewesen.«
»Wie? Was?«
»Taub geworden? Heute morgen hast du ihn nicht gesehen.«
»Wen hab ich nicht gesehen, Herrje nochmal?«
»Bovara, diesen Inspekteur. Er ist nicht in die Mühle gekommen.«
»Ach, ja? Und wo ist er dann gewesen?«
»Das ist mir scheißegal! Wichtig ist nur, daß er nicht hier war. Gab's heute
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