Untitled
bezeichnet hatte, wieder ein.
Wie auch immer, jetzt mußte die italienische Regierung eine Entscheidung treffen. Pirandello bat um Audienz bei Vittorio Emanuele Orlando, einem Sizilianer, der ihn wertschätzte, und erhielt sie. Orlando versprach, sich in dieser Sache einzusetzen, und als erstes stellte er Nachforschungen über die drei von den Österreichern genannten Namen an. So erfuhr er, daß es sich um drei erfahrene und mutige Marineoffiziere handelte, die, erst einmal freigelassen, ganz sicher für Kriegshandlungen gegen Italien eingesetzt würden. Orlando rief Pirandello zu sich, weihte ihn in die Situation ein und sagte am Ende:
»Entscheide du.«
In Wirklichkeit handelte es sich hier um keine freie Entscheidung. Würde Pirandello diesen Austausch akzeptieren, hätte das bedeutet, einem patriotischen Ideal zu entsagen, das in Pirandello immer noch vorhanden war, wenn auch ziemlich abgeschwächt. Er lehnte ab.
In tausend Jahren wird dieser schreckliche Krieg, der jetzt die ganze Welt mit Grauen erfüllt, in wenigen Zeilen in die große Geschichte der Menschheit eingeordnet sein; und keinen Hinweis wird es geben auf all die kleinen Geschichten dieser Tausende und Abertausende obskurer Wesen, die jetzt, in ihn verwickelt, verschwinden, von denen doch ein jedes die Welt, die ganze Welt in sich aufgenommen und wenigstens für einen Augenblick seines Lebens ewig gewesen sein wird, mit dieser Erde und diesem sternenfunkelnden Himmel in seiner Seele und dem eigenen Häuschen in weiter Ferne, und den weinenden Lieben, dem Vater, der Mutter, der Ehefrau, den Schwestern und vielleicht den noch unwissenden und ganz mit ihren Spielen beschäftigten kleinen Kindern in weiter, weiter Ferne. Wie viele ungeborgene, auf dem Schnee oder im Schlamm sterbende Verwundete…
LIETTA WILL HEIRATEN
Der Wahnsinn der Mutter hatte sie gezwungen, ihr Elternhaus zu verlassen und bei Verwandten in Florenz zu leben. Doch Lietta beginnt, des Lebens müde zu werden, das sie zu führen gezwungen ist. Wie ihr Vater in längst vergangener Zeit einmal dachte, so denkt auch sie jetzt, daß die Ehe die Situation lösen könnte. Und diese Vorstellung teilt sie Luigi in einem Brief mit, den wir nicht besitzen. Der Vater antwortet ihr am 4. Oktober 1918.
Und so komme ich zu dem heikelsten Punkt Deines kleinen Briefes. Ich kenne nicht den Namen des jungen Mannes, von dem Du mir erzählst. Sicher, für ihn ist, was Du mir sagst, keine gute Empfehlung, nämlich: daß er Dir völlig gleichgültig ist, und daß Du glaubst, seine beste Eigenschaft bestehe darin, reich zu sein und über die Gabe zu verfügen, mit Umsicht seinen Besitz zu verwalten. Willst Du mit Gleichgültigkeit einen umsichtigen Geldsack heiraten? - Meine liebe Lietta, ich weiß nicht: die Art und Weise, wie Du über diese Sache sprichst, das Urteil, das Du implizit über den jungen Mann abgibst, das, was Du mir im Umkreis Deiner Neigung für ihn deutlich machst und wie Du absolut die Frage ausklammerst, die Du mir am Ende stellst: »Wozu rätst Du mir, mein lieber Papa?«
I ch kann Dir nicht anders antworten, als dadurch, daß ich Dir die Frage zurückgebe: »Aber was soll ich Dir denn raten, mein liebes Töchterchen?«
Bist Du geneigt, ihn zu heiraten, wo er Dich bittet, seine
Frau zu werden, oder bist Du es nicht? Ist er ein ernster, gütiger, ehrlicher junger Mann von gesundem moralischen Wesen, aus guter Familie, mit freundlichen Umgangsformen, abgesehen davon, daß er reich ist? Weiß er über die materielle wie moralische Lage Deiner Familie Bescheid, ich meine über Deine Mitgift und das Unglück Deiner Mutter? Über nichts von alle dem sagst Du mir etwas. Wie willst Du dann, daß ich Dir einen Rat gebe?
In Wirklichkeit hat er der Tochter einen Rat gegeben,
und was für einen! Dem Augenschein nach handelt es sich um einen klugen Rat, der allerdings nicht seine eigene Erfahrung mitberücksichtigen will. Die Ehe mit Antonietta hatte Luigi als Geschäft betrachtet und so hatte er es auch offen definiert: Warum also der Tochter nicht die Möglichkeit einräumen, ein Geschäft abzuschließen, das sich möglicherweise vorteilhafter als sein eigenes herausstellen könnte? Wenn der Wahnsinn nicht dazwischengekommen wäre, wäre die Ehe mit Antonietta, auch wenn sie nur den Rang einer einfachen Gattin und nicht den einer Gefährtin der Kunst, wie er es erhofft hatte, eingenommen hätte, eine gute Ehe wie so viele andere gewesen.
Sicher ist es nicht Luigi, der
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