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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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ihre Beine an, und ihre Füße sahen immer so aus, als wollten sie über die Schuhe hinausquellen. Sie trug einen schwarzen Tuchmantel mit einem schwarzen Pelzkragen. Ihre Augen strahlten blau und gebiete risch hinter randlosen Brillengläsern. Sie hatte immer eine große schwarze Mappe bei sich, darin lagen ihre Geldbörse, ihre Geldscheintasche (beide schwarz), eine große King James Bibel (ebenfalls schwarz), mit ihrem Namen in Goldbuchstaben eingraviert, und ein Stoß Traktätchen, die von einem Gummiband zusammengehalten wurden, gewöhnlich orangefarben und unsauber gedruckt.
      Carrie wußte vage, daß Momma und Daddy Ralph einst Baptisten gewesen waren, die Kirche aber verlassen hatten, als ihnen klar wurde, daß die Baptisten die Arbeit des Antichristen taten. Seit jener Zeit wurde alle Anbetung zu Hause erledigt. Momma hielt Anbetung an Sonntagen, Dienstagen und Freitagen. Diese Tage wurden Heilige Tage genannt. Momma war der Priester, Carrie die Gemeinde. Die Andachten dauerten zwischen zwei und drei Stunden.
      Momma hatte die Tür geöffnet und trat steifbeinig ein. Sie und Carrie starrten einander über den schmalen Gang hinweg an, wie Duellanten vor dem ersten Schuß. Es war einer jener kurzen Momente, die
      (Angst konnte es wirklich Angst in Mommas Augen gewesen sein)
      hinterher viel länger erschienen.
      Momma schloß die Tür hinter sich. »Du bist eine Frau«, sagte sie sanft.
      Carrie spürte, wie sich ihr Gesicht zusammenzog, sie konnte nichts daran ändern. »Warum hast du mir nichts davon gesagt?« schrie sie. »O Momma, ich hatte solche Angst! Und die Mädchen haben sich alle lustig gemacht und Sachen geworfen —«
      Momma ging auf sie zu, und dann holte sie rasch und kräftig aus, sie hatte eine harte Hand, durch die Arbeit in der Wäscherei muskulös und gut trainiert. Mit dem Handrücken schlug sie Carrie über den Mund, daß sie der Länge nach auf den Gang zwischen Wohnzimmer und Eingangshalle stürzte und schrie.
      »Und Gott schuf Eva aus der Rippe Adams«, sagte Momma. Ihre Augen hinter den randlosen Gläsern wirkten sehr groß, wie Spiegeleier. Sie stieß Carrie mit der Schuhspitze in die Seite, und Carrie schrie. »Steh auf, Weib. Gehen wir hinein und beten wir. Laß uns zu Jesus beten für unsere weib-schwachen, schlechten, sündigen Seelen.«
      »Momma —«
      Vor lauter Schluchzen konnte sie nichts mehr sagen. Die mühsam beherrschte Hysterie brach wieder durch. Sie konnte nicht aufstehen. Sie konnte nur ins Wohnzimmer kriechen, das Haar hing ihr ins Gesicht. Immer wieder stieß Momma sie mit dem Fuß an. So gelangten sie quer durchs Wohnzimmer bis zum Altar, der einst ein kleines Schlafzimmer gewesen war.
      »Und Eva war schwach und — sag es, Weib! Sag es!«
      »Nein, Momma, bitte hilf mir —«
      Der Fuß holte aus. Carrie schrie.
      »Und Eva war schwach und ließ den Raben auf die Erde«, fuhr Momma fort, »und der Rabe hieß Sünde, und die erste Sünde war die Unzucht. Und der Herr bedeckte Eva mit einem Fluch, und der Fluch war der Fluch des Blutes. Und Adam und Eva wurden aus dem Paradies in die Welt hinausgetrieben, und Eva sah, daß ihr Leib anschwoll mit dem Kind.«
      Der Fuß holte aus und traf Carries Oberkörper. Ihre Nase berührte den Holzfußboden. Sie erreichten den Altarraum. Auf einem Tisch mit einem bestickten Tischtuch stand ein Kreuz. Zu beiden Seiten des Kreuzes standen weiße Kerzen. Dahinter hingen verschiedene Bilder von Jesus und seinen Aposteln. Und zur Rechten war das Schlimmste, das Heim des Schrekkens, die Hölle, wo alle Hoffnung, aller Widerstand gegen Gottes Willen — und Mommas Willen — ausgelöscht wurde. Die Tür zum Schrankraum war nur angelehnt. Drinnen, unter einer scheußlichen blauen Glühlampe, die immer brannte, hing Derraults Darstellung von Jonathan Edwards berühmter Predigt Sünder in der Hand des zornigen Gottes.
      »Und es folgte ein zweiter Fluch, und das war der Fluch des Gebärens, und Eva brachte Kain zur Welt in Schweiß und Blut.«
      Jetzt zerrte Momma sie, halb stehend, halb kriechend, zum Altar, wo sie beide auf die Knie niederfielen. Momma umklammerte Carries Handgelenk.
      »Und nach Kain gebar Eva Abel, da sie noch immer nicht die Sünde der Unzucht bereut hatte. Und so schlug der Herr Eva mit einem dritten Fluch, und das war der Fluch des Mordes. Kain erhob sich und erschlug Abel mit einem Stein. Und noch immer bereute Eva nicht, und nicht all die Töchter Evas, und auf

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