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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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Minuten hineingegangen, nachdem sie die Gasleitung geöffnet hatte (es war ganz einfach gewesen; sobald es ihr gelungen war, die Leitung unter der Straße in Gedanken zu erfassen, war es ganz leicht gewesen), aber ihr war es wie Stunden erschienen. Sie hatte lange und inbrünstig gebetet, manchmal leise, manchmal laut. Ihr Herz hämmerte und arbeitete. Die Adern auf Gesicht und Hals traten hervor. In ihren Gedanken existierte nichts als die Worte MACHT und ABGRUND. Sie betete vor dem Altar, kniete dort in ihrem nassen, zerrissenen und blutigen Kleid, mit bloßen, schmutzigen und blutenden Füßen. Ihr Atem ging stoßweise, die Kirche war erfüllt von Stöhnen und elektrischen Schwingungen, die sie aussandte. Kirchenstühle fielen um, Bücher flogen umher, eine silberne Monstranz kreiste lautlos durch die Düsternis des Mittelschiffs und krachte an die gegenüberliegende Wand. Sie betete, und sie bekam keine Antwort. Da war niemand, oder wenn doch, dann verbarg Er/Es sich vor ihr. Gott hatte sein Angesicht abgewandt, und warum auch nicht? Diese Greuel waren sowohl sein Werk als auch das ihre. Und so verließ sie die Kirche, um nach Hause zu gehen, ihre Momma zu suchen und die Zerstörung zu vollenden.
      Auf der unteren Stufe der Kirchentreppe blieb sie kurz stehen und betrachtete die Scharen von Menschen, die sich auf das Stadtzentrum zubewegten. Tiere. Sollen sie also verbrennen. Die Straßen sollen erfüllt sein vom Geruch des Opfers. Wermut, Myrrhe, Weihrauch.
      Zucken.
      Und Starkstromtransformatoren über Lichtmasten blühten in purpurnen und perlmuttfarbenen Lichtergarben auf, versprühten ein Feuerwerk von Funken. Hochspannungsleitungen fielen bündelweise auf die Straßen, manche von ihnen schmolzen, und das war schlimm, denn jetzt war die ganze Stadt übersät mit Leitungen, und der Gestank begann, das Brennen begann. Die Menschen schrien und wichen zurück, und manche berührten die Kabel und verfielen in zuckende Tänze. Manche waren bereits auf die Straße gestürzt, ihre Morgenröcke und Nachthemden verschmorten.
      Carrie drehte sich um und sah gebannt auf die Kirche, die sie soeben verlassen hatte. Das schwere Tor schlug zu, als habe es ein Hurrikan erfaßt.
      Carrie machte sich auf den Heimweg.

    Auszug aus der beeidigten Zeugenaussage von Mrs. Cora Simard, vor der Staatlichen Untersuchungskommission (aus: Report der White-Kommission, S. 217-218):
      »Frage: Mrs. Simard, der Ausschuß weiß, daß Sie in der Ballnacht Ihre Tochter verloren haben, und wir haben größtes Mitgefühl mit Ihnen. Wir werden dies hier so kurz wie möglich machen.
    Antwort: Danke. Natürlich möchte ich helfen, wenn ich kann.
      F: Waren Sie ungefähr um 24.12 Uhr, als Carietta White aus der Ersten Kongregationskirche kam, auf der Carlin Street?
      A: Ja.
      F: Warum waren Sie dort?
      A: Mein Mann hatte übers Wochenende geschäftlich in Boston zu tun, und Rhonda war auf dem Ball. Ich saß allein zu Hause, sah mir etwas im Fernsehen an und wartete auf sie. Ich sah mir gerade das Freitagabend-Stück an, als die Sirene vom Rathaus aufheulte. Ich brachte das in keinen Zusammenhang mit dem Tanz. Aber dann die Explosion... ich wußte nicht, was ich tun sollte. Ich versuchte, die Polizei anzurufen, aber schon nach den ersten drei Nummern kam das Besetztzeichen. Ich... ich... Dann...
      F: Lassen Sie sich Zeit, Mrs. Simard. Soviel Sie wollen.
      A: Ich wurde unruhig. Dann erfolgte die zweite Explosion — Teddys Amoco-Tankstelle, wie ich jetzt weiß —, und ich beschloß, in die Stadt zu gehen und nachzusehen, was passiert war. Am Himmel stand ein Leuchten, ein entsetzliches Leuchten. Da klopfte Mrs. Shyres an die Tür.
      F: Mrs. Georgette Shyres?
      A: Ja, sie wohnen um die Ecke herum, Willow 217. Das ist direkt bei der Carlin Street. Sie klopfte und rief: ›Cora, bist du da? Bist du da?‹ Ich ging zur Tür. Sie hatte einen Bademantel und Slippers an. Ihre Füße sahen ganz kalt aus. Sie sagte, sie habe in Westover angerufen, um zu erfahren, ob man dort etwas wußte, und da habe man ihr mitgeteilt, daß die Schule brennt. Ich sagte: ›O mein Gott, Rhonda ist beim Tanz.‹
      F: Haben Sie sich da entschlossen, in die Stadt zu gehen?
      A: Wir haben uns überhaupt nicht entschlossen. Wir sind einfach gegangen. Ich zog ein Paar Slippers an — die von Rhonda, glaube ich. Sie hatten kleine weiße Bällchen auf den Spitzen. Ich hätte meine eigenen Schuhe tragen sollen, aber ich dachte überhaupt nicht

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