Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
Vom Netzwerk:
uns vorüberglitten, während das kurze Getöse hinter uns verklang und die unabsehbaren Meilen des Schweigens uns umfingen – und wir weiterkrochen zu Kurtz. Aber die treibenden Baumstämme waren dick, das Wasser war heimtückisch und seicht, der Kessel schien allerdings einen verdrießlichen Teufel zu beherbergen, und so blieb weder dem Heizer noch mir die Zeit, uns in unsere gruseligen Gedanken zu vertiefen.
      Einige fünfzig Meilen unterhalb der inneren Station stießen wir auf eine Schilfhütte, auf eine schiefe und melancholische Stange mit dem unkenntlichen Fetzen dessen daran, was früher einmal eine Art Fahne gewesen sein mußte, und auf einen sauber aufgeschichteten Holzstoß. Das war etwas Unerwartetes.
      Wir gingen an Land und fanden auf dem Stapel Feuerholz ein Brett mit einer verblaßten Pinselschrift darauf. Als wir sie entziffert hatten, lautete die Inschrift: ›Holz für euch. Kommt schnell. Nähert euch vorsichtig.‹ Es stand eine Unterschrift darunter, doch sie war unleserlich – nicht Kurtz – ein viel längeres Wort. ›Kommt schnell.‹ Wohin? Stromaufwärts? ›Nähert euch vorsichtig.‹ Das hatten wir nicht getan. Doch die Warnung konnte nicht auf einen Ort gemünzt sein, an dem sie erst nach dem Näherkommen aufzufinden war. Irgend etwas stimmte nicht stromaufwärts. Doch was – und wievieles? Das war die Frage. Wir äußerten uns abfällig über den Schwachsinn dieses Telegrammstils. Der Busch rings umher sagte nichts dazu und ließ uns auch nicht sehr weit blicken. Ein zerfetzter Vorhang aus rotem Köper hing in der Türöffnung der Hütte und klatschte uns traurig ins Gesicht. Die Wohnstätte war ausgeräumt; doch wir konnten sehen, daß nicht lange zuvor ein Weißer darinnen gehaust hatte. Ein rohgezimmerter Tisch war zurückgeblieben – eine Planke auf zwei Pfosten; in einer dunklen Ecke lag ein Kehrichthaufen, und ich hob neben der Tür ein Buch auf. Es hatte den Deckel verloren, und die Seiten waren durch das viele Umblättern sehr schmutzig und weich geworden; doch der Rücken war in liebevoller Weise frisch mit weißem Baumwollgarn, zusammengenäht worden, das noch sauber war. Es war ein außerordentlicher Fund. Der Titel des Buches lautete Untersuchung einiger Fragen der Seemannskunst, verfaßt von einem Mann namens Towser, Towson – oder so ähnlich, Kapitän in S. M. Kriegsmarine. Es schien eine recht öde Lektüre zu sein mit verdeutlichenden Zeichnungen und abschreckenden Tabellen, und das Exemplar war sechzig Jahre alt. Ich behandelte dieses erstaunliche Altertumsstück so liebevoll wie möglich, damit es sich nicht in meinen Händen auflöse. Im Text erörterte Towson oder Towser ernsthaft die Bruchfestigkeit von Schiffsketten und Tauwerk, und mehr dergleichen. Kein sehr fesselndes Buch; doch schon auf den ersten Blick gewahrte man eine Zielstrebigkeit darin, ein aufrichtiges Interesse an der richtigen Art, eine Arbeit anzupacken, die diese bescheidenen, vor so vielen Jahren ausgedachten Seiten in einem anderen als einem bloß berufsmäßigen Licht erscheinen ließen. Der biedere alte Seemann ließ mich mit seinem Gerede über Ketten und Taljen den Dschungel und die Pilger vergessen in dem beglückenden Gefühl, auf etwas unmißverständlich Wirkliches gestoßen zu sein. Daß sich ein solches Buch hier fand, war wunderbar genug. Doch noch erstaunlicher waren die Bemerkungen, die mit Bleistift an den Rand geschrieben waren und die sich deutlich auf den Text bezogen. Ich traute meinen Augen nicht! Sie waren in Geheimschrift abgefaßt! Ja, es sah aus wie Geheimschrift. Denkt bloß: ein Mann schleppt ein solches Buch in dieses Nichts und studiert es – macht Notizen – in Geheimschrift obendrein! Das war des Rätselhaften wahrlich zuviel.
      Schon geraume Zeit war ich mir eines störenden Geräusches halb bewußt gewesen, und als ich meine Augen hob, sah ich, daß der Holzstoß verschwunden war und daß der Direktor, unterstützt von allen Pilgern, vom Ufer aus nach mir rief. Ich steckte das Buch in die Tasche. Ich versichere euch, die Lektüre zu unterbrechen war für mich, als müßte ich mich vom sicheren Port einer alten und festgegründeten Freundschaft losreißen.
      Ich brachte die lahme Maschine wieder in Gang. ›Es muß dieser elende Händler sein – dieser Eindringling‹, rief der Direktor und blickte gehässig nach dem Ort zurück, den wir soeben verlassen hatten. ›Es muß ein Engländer sein‹, sagte ich. ›Das wird ihn nicht davor bewahren,

Weitere Kostenlose Bücher