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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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Erschöpfung der Krankheit. Er schien keine Schmerzen zu leiden. Dieser Schatten wirkte zufrieden und ruhig, als habe er für eine Weile genug von allen Gefühlsregungen.
      Er raschelte mit einem der Briefe, sah mir gerade ins Gesicht und sagte: ›Sehr angenehm.‹ Jemand hatte ihm von mir geschrieben. Wieder tauchten diese besonderen Empfehlungen auf. Der volle Ton, den er mühelos, ja fast ohne die Lippen zu bewegen von sich gab, verblüffte mich. Eine Stimme! Eine Stimme! Sie klang ernst, tief, bebend, während der Mann kaum eines Flüsterns fähig zu sein schien. Immerhin hatte er noch genügend Kraft in sich – künstlich aufgebotene Kraft, zweifellos –, um uns beinahe den Garaus zu machen, wie ihr gleich hören werdet.
      Der Direktor erschien schweigend in der Türöffnung; ich ging sogleich hinaus, und er zog hinter mir den Vorhang zu. Der Russe, den die Pilger neugierig betrachteten, starrte auf das Ufer. Ich folgte der Richtung seines Blickes.
      In der Ferne waren dunkle menschliche Gestalten zu sehen, die undeutlich vor dem düsteren Saum des Waldes hin und her flitzten, und in der Nähe des Ufers standen zwei Bronzefiguren, auf hohe Speere gelehnt, unter einem phantastischen Kopfschmuck aus gefleckten Fellen, kriegerisch und in statuenhafter Ruhe im Sonnenlicht. Und das beleuchtete Ufer entlang bewegte sich von rechts nach links eine wilde und prächtige Frauensperson.
      Sie kam gemessenen Schrittes daher. Angetan mit gestreiften und fransenbesetzten Tüchern, stampfte sie unter dem Geglitzer und leisen Geklingel barbarischen Schmuckes stolz über den Boden. Sie hielt ihren Kopf hoch erhoben; ihr Haar war in der Form eines Helms frisiert; sie trug bis zu den Knien reichende MessingGamaschen; Messing-Armreife bis zu den Ellenbogen, einen roten Fleck auf ihrer lohfarbenen Wange, unzählige Halsbänder aus Glasperlen; bizarre Dinge, Amulette, Geschenke von Medizinmännern, die an ihr herumbaumelten, glitzerten und bei jedem Schritt erzitterten. Sie muß den Wert mehrerer Elefantenstoßzähne an sich getragen haben. Sie war primitiv und herrlich, funkeläugig und grandios; etwas Unheilverkündendes und Hoheitsvolles lag in ihrem bedächtigen Näherkommen. Und in dem Schweigen, das sich plötzlich über das ganze kummervolle Land gebreitet hatte, schien die riesige Wildnis, der gewaltige Leib des fruchtbaren und geheimnisvollen Lebens, sinnend auf sie herabzublicken, als betrachte er das Bildnis seiner eigenen lichtscheuen und leidenschaftlichen Seele.
      Sie kam dicht an den Dampfer heran, blieb stehen und wandte uns ihr Gesicht zu. Ihr langer Schatten fiel bis zum Rand des Wassers. Ihr Gesicht hatte den tragischen und ungestümen Ausdruck wilden Schmerzes und stummer Pein, vermischt mit der Bangigkeit eines sich emporringenden, unfertigen Entschlusses. Sie stand da und sah uns reglos an, wie die Wildnis selbst, mit einer Miene, als brüte sie über einer unergründlichen Absicht. Eine volle Minute verstrich, und dann trat sie einen Schritt vor. Es gab ein leises Geklingel, ein Auf schimmern gelben Metalls, ein Gewoge fransenbesetzter Tücher, und dann hielt sie inne, als habe sie den Mut verloren. Der junge Bursche neben mir brummte. Hinter mir murmelten die Pilger. Sie sah uns alle an, als hinge ihr Leben von der unerschütterlichen Standhaftigkeit ihres Blickes ab. Plötzlich breitete sie ihre nackten Arme aus und warf sie starr empor, wie in einem unbezähmbaren Verlangen, den Himmel zu berühren, und im selben Augenblick schossen die hurtigen Schatten aus dem Boden, fegten auf allen Seiten über den Fluß, umschlangen den Dampfer in einer schattenhaften Liebkosung. Ein fürchterliches Schweigen hing über dem Schauplatz.
      Sie wandte sich langsam ab, schritt weiter, folgte dem Ufer und tauchte im Buschwerk zur Linken unter. Einmal nur blitzten ihre Augen aus der Düsternis des Dickichts zu uns zurück, ehe sie verschwand.
      ›Wenn sie sich unterstanden hätte, an Bord zu kommen, ich glaube, ich hätte wirklich versucht, sie zu erschießen‹, sagte der Mann im Flickenanzug aufgeregt, ›Ich setzte während der letzten zwei Wochen Tag für Tag mein Leben aufs Spiel, um sie vom Hause fernzuhalten. Einmal kam sie herein und schlug einen Riesenlärm wegen jener kläglichen Fetzen, die ich in dem Lagerraum aufgelesen hatte, um damit meine Kleider zu flicken. Mein Aufzug sei nicht schicklich. Wenigstens muß es das gewesen sein, denn sie redete eine Stunde lang wie wild auf Kurtz ein

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