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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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stellen mir damit eine Gewissensfrage. Bis heute habe ich geschwiegen. Selbst zwischen dem guten Doktor und mir war dieses Thema stets tabu. Wir haben uns so akzeptiert, wie wir sind. Ich schätze die Diskretion unseres Arztes in dieser Hinsicht unendlich und wäre Ihnen der Versicherung völligen Stillschweigens gegenüber jedem Dritten sehr verbunden. Unter diesen Voraussetzungen bin ich gern bereit, Ihnen mit der Schilderung meines Lebens und Sterbens einen Gefallen zu tun!"
      Voller Sympathie schaute Hochwürden in die durchdringend blickenden Augen des Vampirs und sicherte ihm die absolute Einhaltung seiner Bedingungen zu. Der Gastgeber goß seinen Gästen nochmals ein. Lässig drapierte er dann sein elegantes Cape um seine asketisch wirkende Gestalt und machte sich bereit, seine irdischen Gäste in die Welt seines Schattendaseins zu führen ...
      Das leichtfüßige Dahinschleichen einer kleinen dunklen Gestalt zwischen den Gräbern ließ ihn jedoch vorerst von seinem Vorhaben Abstand nehmen. Gebannt schaute die Runde in die Richtung, aus der das Geräusch zu kommen schien, als auch schon ein zittrig-dünnes Stimmchen deutlich zu vernehmen war: „Einen wunderschönen guten Abend!"
      „Meine Liebe, was treibt Sie erneut zu so später Stunde auf den Kirchhof?" erboste sich der Priester, dem es keineswegs recht war, daß Madame Vanille ihnen nachspionierte.
      „Ganz meinerseits, Herr Pfarrer", lautete ihre spitze Antwort. „Ich finde es äußerst stillos, mich, die ich Sie auf das mysteriöse Geschehen hier oben aufmerksam gemacht habe, in einer so schamlosen Weise zu übergehen! Ich wäre Ihnen sehr verbunden, würden Sie mir diesen so interessanten Herrn vorstellen!" Ungeniert starrte sie den Vampir an.
      Herr von Grauenstein erwiderte den sehr direkten Blick mit einem etwas schüchternen Lächeln, ergriff jedoch spontan die schmale Hand von Madame und deutete einen Handkuß an. „Von Grauenstein, meine Gnädigste! Stets ...", hier machte er eine kleine Pause und korrigiert sich schnell, „im Dunkeln und bei schlechtem Wetter immer zu Diensten."
      „Wie charmant, mein Lieber! Welch ein zauberhaftes Benehmen! Es geht doch nichts über die gute alte Schule! Nicht wahr, Hochwürden?" Ein vernichtender Blick traf den Geistlichen, worauf der Arme etwas unruhig auf der Marmorplatte hin und her rutschte. Er hatte wirklich ein schlechtes Gewissen, und eine Ausrede oder gar eine Rechtfertigung wollten ihm schon gar nicht einfallen. Daher verlegte er sich auf einen langgedehnten Seufzer und verfiel in trübsinniges Schweigen, das wiederum von Madame genau registriert wurde, so daß sie sich die Bemerkung „... und nun ist er auch noch beleidigt" nicht verkneifen konnte.
      „Schluß jetzt mit den Sticheleien", schaltete sich der Arzt ein. „Wollen Sie nicht bei uns Platz nehmen?"
      Schon fühlte die alte Dame die Hände des Doktors an ihrer schmalen Taille, und mit Leichtigkeit wurde sie auf den Grabstein gehoben. Sie kicherte wie ein junges Mädchen und konnte nicht umhin, den betagten Arzt wegen seiner Stärke zu bewundern.
      Der Vampir war wieder in seine Gruft hinabgestiegen und trat nach wenigen Augenblicken mit einem angestaubten, aber sicherlich sehr kostbaren Brokatkissen hervor. „Bitte, Gnädigste! Machen Sie es sich so bequem wie möglich. Wünschen Sie etwas zu trinken?"
      „Wenn das mein Seliger erleben könnte! Wie würde er diese Situation genießen!" Wehmütig seufzte Madame. Sie hatte die höfliche Frage des Gastgebers überhört, so daß der Arzt ihr die Auswahl des Getränkes freundlicherweise abnahm.
      „Ich hielte es für angebracht, unserer charmanten Besucherin ebenfalls einen Whisky zu kredenzen, um einer eventuellen Unterkühlung vorzubeugen." Erklärend wandte er sich an den Vampir, der erneut in seiner Gruft verschwand, um mit einem dritten Glas wieder zu erscheinen. Lächelnd goß er den Whisky ein.
      Lässig, wie sie dies des öfteren im Fernsehen bei sogenannten „Damen von Welt" bewunderte, nahm die alte Dame das Glas in ihre kleine Hand und führte es an ihre Lippen. Drei Augenpaare betrachteten sie neugierig, als sie mit einem etwas übertrieben wirkenden „Prosit" den ersten Schluck zu sich nahm.
      Die Reaktion war vorauszusehen: Madame verschluckte sich an dem ungewohnt scharfen Getränk und begann zu husten. Tränen rannen über die schon welken Wangen. Der besorgte Doktor klopfte ihr erst zaghaft, dann immer kräftiger auf den

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