Untitled
unbedingte Schonung." Der Arzt war sichtlich verärgert. Mochte Herr von Grauenstein auch ein durchaus höflicher Vampir sein, so brauchte er die Nerven von Madame nicht zusätzlich zu strapazieren. Er spielte mit dem Gedanken, Madame auf dem schnellsten Weg nach Hause zu bringen, konnte sich jedoch nicht recht entschließen, da er auf die Geschichte des Edlen natürlich ebenfalls nicht verzichten wollte, Madame nahm ihm schließlich die Entscheidung ab. Sie drückte ihm die Hand und sagte: „Vielen Dank, lieber Freund. Meinetwegen sollten Sie sich keine Gedanken machen." Sie lächelte und genoß das Gefühl, umsorgt zu sein.
„Weiter, weiter, verehrter Herr von Grauenstein!" Die drei Freundinnen wurden ungeduldig. Sie waren merklich ungehalten. Immer, wenn es spannend wurde, drohte Madame in Ohnmacht zu fallen.
„Die Contessa und ich waren einander versprochen", fuhr Herr von Grauenstein fort. „Wir liebten uns und hatten den Himmel auf Erden. So schien es zumindest. Meine Braut war von geradezu überirdischer Schönheit, und ich konnte dieses Glück kaum fassen, mit ihr bis an mein Lebensende verbunden zu werden. Und wie es nun mal so ist, man lebt ständig in der Angst, dieses Glück könnte auf einmal vergehen, zerplatzen wie eine Seifenblase!
Unsere Familien waren mitten in den Vorbereitungen der Hochzeitsfeierlichkeiten, als die Wangen meiner Liebsten immer blasser wurden. Ich schob es auf die Anstrengungen, die dem großen Fest vorausgingen.
Ihre Augen blickten mich so feurig an wie nie zuvor, und meine Liebe zu ihr wuchs ins Unermeßliche. Sie können sich vorstellen, daß es mich wie ein Keulenschlag traf, als sie in der Nacht vor unserer Vermählung verschwand. Es war unfaßbar. Wir wußten uns nicht zu helfen. Weder ihre Eltern, noch ihre Freunde und Bekannten ahnten, wo sie sich aufhalten könnte. Die Mutter meiner Braut schien hysterisch geworden zu sein. Sie faselte ständig etwas von einem italienischen Conte. Niemand verstand sie, oder nahm sie gar ernst. Meine Liebste und ein italienischer Conte! Das erschien mir unglaublich! Ich war, so hatte sie es mir immer wieder versichert, der einzige Mann in ihrem Leben. Und plötzlich sollte es doch einen Nebenbuhler geben? Nein! Niemals!
Wir warteten über ein Jahr auf ein Lebenszeichen von ihr. Doch nichts geschah. Daraufhin ließ ihre Familie sie für tot erklären.
Ich brauchte sehr lange, bis ich meinen Schmerz überwand. Ich war untröstlich. Keine andere Frau kam meiner Liebsten gleich.
Trotz allem entschloß ich mich, nochmals auf Freiersfüßen zu wandeln. Ich entschloß mich für eine junge Fürstin, die mir von meiner Familie als standesgemäß vorgeschlagen wurde. Sie war nett und liebenswürdig, aber meine große Liebe wurde sie nicht. Ich war damals übrigens 32 Jahre alt.
Wiederum wurden große Hochzeitsvorbereitungen getroffen. Diesmal schien alles unter einem günstigen Stern zu stehen.
In der Nacht vor der Vermählung erwachte ich plötzlich ohne ersichtlichen Grund. Die Tür zu meinem Zimmer öffnete sich geräuschlos, und herein schwebte eine wunderschöne Gestalt in weißem Spitzengewand, das ich sofort als Brautkleid meiner verschollenen Liebsten erkannte. Ich glaubte zu träumen, aber die Gestalt kam leise auf mich zu.
Jetzt erkannte ich sie. Ja, tatsächlich, sie war es. Mein Alles! Sie setzte sich zu mir aufs Bett und ergriff meine Hand. Ich erschrak heftig, denn ihre Hände waren eiskalt.
,Ich bin gekommen, um mich mit dir zu vereinen. Ich bin deine einzige Braut. Keine andere darf sich zwischen uns drängen!' Mit diesen Worten legte sie sich neben mich. Oh, welch ein Gefühl der Wonne durchfloß mich! Sollte sich doch noch alles zum Guten wenden? Wir verbrachten köstliche Stunden bis zur Morgendämmerung.
Erschöpft schliefen wir dann Seite an Seite ein.
Als ich endlich erwachte, bemerkte ich wie durch einen Nebelschleier, daß meine Familie und ein Geistlicher sich um mein Bett versammelt hatten.
Sie knieten und beteten. Mehrfach hörte ich, daß sie eine Seele retten wollten. Ich blickte um mich und erkannte meine Mutter, die mich mit verweinten Augen anschaute. Ich sah meine zweite Braut, der ich heute angetraut werden sollte, wie sie mit steinernem Gesicht vor sich hinstarrte. Der Geistliche, der das Weihrauchgefäß kräftig hin und her schwenkte, murmelte unverständliche Litaneien.
Das Ganze erschien mir unbegreiflich, und ich begann hysterisch zu
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