Untitled
Nichtvampire die Güte, sie umgehend zu entfernen?" Herr von Grauenstein war äußerst ungehalten. Rasch nahm Hochwürden die Knolle an sich, worauf sich der Vampir, sichtlich freundlicher geworden, bedankte: „Es ist mir entsetzlich peinlich, Ihnen verehrte Madame meine Hilfe versagt zu haben, zu der ich durchaus fähig gewesen wäre." Alle schauten ihn erwartungsvoll an.
„Meine Freunde, erinnern Sie sich, als ich Goethes ,Braut von Korinth' zitierte?" Der Edle hatte in einem bequemen Fauteuil Platz genommen und dekorierte sein Cape malerisch über die Armlehne.
„Ja, mein Lieber, Sie erwähnten damals, daß Ihnen ein ähnliches Schicksal beschieden war", erwiderte Hochwürden mit erwartungsvollem Gesicht. Endlich würde er die geheimnisvolle Geschichte dieses liebenswerten Vampirs zu hören bekommen.
Madame hatte das Glück, gerade in diesem wichtigen Moment wieder zu sich zu kommen, so daß ihr ebenfalls nichts entgehen konnte. Das Fräulein und Graf Louis Arthur waren weiterhin zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als daß sie ihrer Umgebung die angemessene Aufmerksamkeit schenken konnten.
Eulalia, Clothilde und Sidonie saßen wie Statuen auf hochlehnigen Stühlen und starrten gebannt auf den Vampir. Sie ahnten, daß sie nunmehr Ohrenzeugen einer spannenden Liebesgeschichte sein würden. Sie nickten nachdrücklich, als sich Herr von Grauenstein auch ihrer Verschwiegenheit versicherte.
XI.
„Wo ist Trani?" Hochwürden war besorgt.
„Sir Simon fehlt ebenfalls", schrillte die Stimme der Gräfin durch den Salon.
„Wir sollten mal in seinem Lieblingsversteck nachschauen", schlug Graf Dracula vor. Gerade, als er die lange Tischdecke ein Stück zu lüften gedachte, kam Tranis Hand hervor und schlug ihm auf die Finger.
„Sie wollten doch wohl nicht unsere wichtige Sitzung stören!" Graf Dracula wich einige Schritte zurück und schaute fassungslos in die Runde.
„Na sowas!" Sichtlich verstört nahm er wieder Platz.
„Ich glaube, unsere Trani hat endlich ein dankbares Opfer für ihr Psychoanalyse-Hobby gefunden!" Der Geistliche schmunzelte und rieb sich vergnügt die Hände. „Die Gute, seit sie bei mir arbeitet, hat sie Sigmund Freud vorwärts wie rückwärts gelesen. Sie ist von der Psychoanalyse geradezu besessen. Mich wollte sie auch schon mehrmals analysieren. Ich bin aber der Meinung: Wenn schon jemand dran glauben muß, dann erst einmal sie selbst! Davon aber konnte ich sie bislang keineswegs überzeugen", führte der Priester redselig aus. Trani analysiert das Gespenst von Canterville – eine Vorstellung, die bei allen Anwesenden schallendes Gelächter hervorrief.
„Ich verspreche mir sehr viel von Tranis Therapie", verkündete Sir Simon mit trotzig-weinerlicher Stimme und lugte unter dem Tisch hervor. „Sie ist der erste Mensch, bei dem ich keine Angst habe! Jawohl!" bekräftigte er. „Sie ist bei allem immer so ruhig und gelassen. Sie gibt mir das Gefühl wahrer Geborgenheit!" Er schluchzte. „Warum muß man mir denn immer alle Illusionen nehmen? Das Leben war für mich bislang immer nie derdrückend. Warum wird mir nicht ein harmonisches Geisterleben gegönnt?" Todtraurig kehrte er unter den Tisch zurück, wo Trani ihn mit allen ihr aus der Psychoanalyse bekannten Mitteln zu trösten suchte.
„Kann ich jetzt endlich anfangen oder interessiert Sie das Schicksal des armen Sir Simon mehr als das meinige?" Der Edle schien ungehalten.
„Nein, nein, wir sind ganz Ohr", hauchte Madame und lächelte, wenn auch noch etwas matt. Die anderen nickten eifrig. „Bitte, beginnen Sie!"
Zufrieden lehnte sich der Vampir zurück und begann:
„Wenn Goethes Gedicht ,Die Braut von Korinth' vielleicht auch in anderer Weise zu verstehen ist, so ist doch eine Gemeinsamkeit mit meinem Schicksal nicht zu leugnen. Auch ich wurde von dem Geist einer Verstorbenen heimgesucht, ohne mir dessen bewußt zu sein. Sie haben sie heute abend zu Gesicht bekommen, meine Freunde!" Der Edle schaute zu Madame hinüber, die sich schon etwas erholt hatte. Unter seinem Blick jedoch wurde sie erneut aschfahl, denn sie durchlebte den schaurigen Moment dieses so ungleichen Kampfes nochmals in allen Einzelheiten. Ihr Freund, der Doktor, hatte alle Mühe, sie bei Bewußtsein zu halten.
„Lieber Herr von Grauenstein, ich halte es für absolut unnötig, unsere Freundin mit der Erinnerung an diesen Kampf erneut zu konfrontieren. Sie braucht, was dies betrifft,
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