Untitled
worden. Bleiben Sie da ganz ruhig stehen, bis wir bei Ihnen sind.»
«Das ist ein mieser Trick, Wimsey», rief Harwell.
«Schämen Sie sich gar nicht, einen Mann wie eine Ratte in die Enge zu treiben?»
«Sie sind noch nicht ganz in die Enge getrieben», sagte Wimsey leise. «Sie haben noch eine Möglichkeit. Ein kurzer Schritt. Sie haben nur Sekunden, ihn zu tun.»
Harwell sah hinab in den etwa fünfzehn Meter tiefen Ab
grund zwischen ihm und dem gurgelnden Wasser. Dann schüttelte er den Kopf und wartete ergeben darauf, daß einer von Parkers Männern ihm die Handschellen anlegte und ihn abführte.
«Ich war so wütend auf sie», sagte Harwell. «Ich war plötzlich wie von Sinnen. Sie hatte doch alles mir zu verdanken, stimmt das nicht, Wimsey.»
In der kleinen schäbigen Zelle auf dem Polizeirevier befanden sich vier Männer: ein Stenograf, der Chief Inspector, Harwell und Wimsey.
«Sie verstehen doch», appellierte Harwell an Wimsey.
«Sie kennen die Geschichte. Ich habe alles für sie getan, ich habe ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen, wir waren unglaublich glücklich …» Er hielt inne und schüttelte den Kopf. «Wir hätten jedenfalls unglaublich glücklich sein sollen, aber irgendwie lief etwas schief. Ich mußte mich immer wieder neu um sie bemühen. Ich habe mich auf ein ruinöses Geschäft eingelassen, um das Geld für Amerys Stück zusammenzubekommen, nur um ihr einen Gefallen zu tun. Ich wußte, sie flirtete mit Amery, aber ich habe nicht gedacht, daß sie auch … Als ich ohne Vorwarnung dort ankam und sah, daß sie jemanden erwartete, bin ich einfach ausgerastet. Dieser Idiot Amery tappte draußen herum, also mußte er es gewesen sein, den sie erwartete, und sie lag auf dem Bett. Ich packte ihren Hals, und ich schüttelte sie …»
Er sah seine Zuhörer mit einem Ausdruck erstaunten Begreifens an, als ob ihm gerade etwas klargeworden wäre.
«Wenn ich sie nicht so sehr geliebt hätte, wäre ich nicht so wütend gewesen», sagte er, «und ich schrie sie an, sie versuchte, mich wegzudrücken, sie sagte irgend etwas. Sie sagte: ‹Nicht, Laurence, nein.› Das hat sie immer gesagt, wenn ich sie wollte. Aber diesmal war ich es leid, sie anzubetteln. Ich überwältigte sie. Ich nahm mir, was ich wollte, was mir zustand. Was sie mir und niemandem sonst schuldig war. Und dann merkte ich – ich merkte, daß sie ganz …» Harwell verbarg sein Gesicht in seinen Händen.
«Sie lag so still da. Der verdammte Hund kläffte und kläffte, und ich war mit den Nerven am Ende, da habe ich – es ist ziemlich schwierig, einen Hund zu töten, wissen Sie das? Es war viel schwieriger, als Rosamund zu töten.»
«Es läßt sich leicht nachvollziehen, was bis zu diesem Punkt geschah», bemerkte Parker leise. «Was ich nicht verstehe, ist, warum Sie nicht gleich die Polizei geholt haben, Sir. Sie haben die Leiche hin und her geschleppt, das Spiel mit der Maske veranstaltet, Türen abgeschlossen und Fensterscheiben eingeschlagen: Wozu das alles? Es hat die Angelegenheit für Sie nur verschlimmert.»
Harwell sah sie aus hohlen Augen an. «Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, was die Leute wohl sagen würden», erklärte er. «Wir waren das Liebespaar, über das ganz London sprach. Die Leute sollten nicht erfahren, daß es so weit gekommen war. Ich hatte als ihr Ehemann einen Ruf. Das bedeutete für mich das Gütesiegel, derjenige zu sein, auf den sie sich verlassen konnte – und ich habe sie geliebt, das ist wirklich wahr!»
«Also unternahmen Sie alles, um nicht die Schuld daran auf sich nehmen zu müssen», stellte Parker fest.
«Ich konnte ihr geschwollenes, malträtiertes Gesicht nicht ertragen, wie es auf dem Kissen lag. Also habe ich sie mit der Maske zugedeckt. Ich saß neben ihr, als ich jemanden auf der Veranda hörte, und ich sah Amery durch das Fenster schauen. Und dann fiel mir ein, was ich tun konnte.»
«Das war nicht richtig von Ihnen», sagte Parker.
«Es geschieht ihm recht!» stieß Harwell hervor. «Rosamund hat mir gehört, mir allein. Hätte er meine Frau in Ruhe gelassen, hätte ich ihm nichts anhaben können. Zuerst dachte ich, ich hätte es geschafft», sagte Harwell. «Ich dachte, ich hätte alle Spuren verwischt. Ich habe die Schlafzimmertür abge schlossen und sie dann aufgebrochen. Ich schloß die Haustür hinter mir ab, ging ums Haus herum und schlug eine Scheibe ein, damit es wie ein Einbruch aussah. Ich bin nicht auf die Idee gekommen, durch das eingeschlagene
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