Untitled
der illustre Familienstammbaum. Harriet, was hältst du von deinen neuen Verwandten?»
«Um euch die Wahrheit zu sagen, die Truppe verdient wirklich das Etikett ‹Von jedem etwas›.» Mit diesen Worten leitete Harriet eine Beschreibung der Dinnerparty bei Helen, Herzogin von Denver, ein.
«Du willst uns doch wohl nicht im Ernst erzählen, daß du am Herzog etwas findest?» unterbrach sie Eiluned nach einiger Zeit. «Was kann man an dem schon finden?»
«Er ist sehr beschränkt», sagte Harriet gedankenvoll.
«Das ist schon erstaunlich, wo er doch so einen cleveren Bruder hat. Und irgendwie wirkt er auf mich wie ein großer Bär, immer ein bißchen verdattert. Aber da seines Lebens ganzer Traum mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht in Erfüllung geht, strahlt er für mich eine gewisse Aura von Pathos aus, schätze ich.»
«Was ist denn seines Lebens ganzer Traum?» wollte Sylvia wissen.
«Den Familienbesitz intakt an seinen einzigen Sohn zu übergeben und dafür zu sorgen, daß dieser Sohn seine Pflicht tut», erklärte Harriet. «Aber ich glaube, ich mag ihn wirklich, weil er Peter bewundert, obwohl er überhaupt nicht versteht, was in ihm vorgeht. Und deswegen ist er auf meiner Seite. Ihr könnt es euch vorstellen: ‹Mir will nicht in den Kopf, warum Peter dieses eigenartige Weibsbild geheiratet hat, aber wenn er sie geheiratet hat, dann ist sie wohl in Ordnung.›»
«Das klingt mir doch alles sehr nach Zoologie», bemerkte Sylvia. «Ein Bär zum Schutz in einer Schlangengrube …»
«Also, mit dem üblichen Schwiegermutterproblem muß ich mich jedenfalls nicht herumplagen», sagte Harriet.
«Die Herzoginwitwe ist wundervoll.»
«Wie geht es denn bei der Arbeit voran?» fragte Eiluned. «Was macht das neue Buch?»
«Ich komme nur langsam weiter», sagte Harriet. «Aber ihr wißt ja, so war es bei mir eigentlich immer.»
«Ich bin nicht sicher, ob ich weiter malen würde, wenn ich das Geld nicht bräuchte», meinte Sylvia.
«O doch, das würdest du», versicherte ihr Eiluned.
«Und ich würde weiter komponieren. Es geht uns nicht wirklich nur um das Geld. Ich bin sehr froh, Harriet, daß du noch arbeitest. Ich hatte schon ein bißchen Angst, du würdest aufhören.»
«Nein, ich mache weiter», sagte Harriet. «Hör mal, Sylvia, weißt du etwas über einen Maler mit Namen Gaston Chapparelle?»
«Nicht viel», antwortete die Angesprochene. «Sehr erfolgreich. Viel geschmäht. Erfreut sich bei den anderen Künstlern keiner besonders großen Beliebtheit.»
«Warum nicht?»
«Aus Eifersucht, zum großen Teil. Weißt du, diese Portraitmaler der gehobenen Kreise machen eimerweise Geld, indem sie sehr altmodische Bilder malen. Wer es heute im Kunstbetrieb zu etwas bringen will, malt wie Picasso oder Modigliani oder wie die Kubo-Futuristen, oder was weiß ich, und da finden sie es natürlich nicht fair, daß die antiquierten Pinsel das ganze Geld einstreichen.»
«Und dann ist er natürlich Franzose», sagte Eiluned.
«Vergiß nicht unsere Haltung gegenüber dem Kontinent.»
«Er würde sicher einen guten Spion abgeben.» Harriet dachte laut. «Aber Frankreich ist ja Freundesland.»
«Man weiß heutzutage nie», sagte Eiluned, «wo überall Faschisten aus den Löchern kriechen.»
«Erzähl mal, wer die alberne Frau ist, die dir geholfen hat, den Hut auszusuchen», bat Sylvia.
«Rosamund Harwell. Und so ein Zufall, wen ich da drüben gerade bemerke, dort sitzt nämlich ihr Ehemann beim Mittagessen, und zwar mit einer sehr hübschen jungen Frau.»
Eiluned drehte sich auf ihrem Stuhl herum, um besser sehen zu können. «Oh, wegen ihr brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich kenne sie. Phoebe Sugden, eine von diesen jungen Hupfdohlen. Eine Freundin von mir war mit ihr auf der Schauspielschule. Wahrscheinlich will er ihr eine Rolle geben. Obwohl, da fällt mir ein, ich habe gehört, daß sie in der nächsten Produktion von Sir Jude Shearman mitwirken soll.»
«Na ja, aber das Ritz ist wohl kaum der Ort für ein Tête-àtête», meinte Sylvia. «Und muß man beim Theater nicht schon lange im voraus planen? Vielleicht besprechen sie ein Projekt, das erst anliegt, wenn sie mit ihrer nächsten Rolle fertig ist. Können wir Crêpes Suzette als Nachtisch essen?»
Harriet ging den Piccadilly hinunter, und als sie auf der Höhe von Hatchards war, sah sie zu ihrer Überraschung Lord SaintGeorge durch die Ladentür kommen.
«Jerry, was machst du denn hier?»
«Ein Buch kaufen», antwortete er mit einem
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