Untitled
Männer besahen sich das dickflüssige, klebrige Blut auf dem Teppich. Jemand war gegen das Bücherregal gestoßen: Drei Bücher und einige Vasen, die wohl oben auf dem Möbel gestanden hatten, waren in die Blutlache gefallen.
«Glaubst du, es ist das Blut des Einbrechers?» fragte Peter.
«Muß es sein. An der Toten sind keine offenen Wunden zu
erkennen», gab Charles Auskunft. «Wir werden die Blutgruppe bestimmen lassen.»
«Also: da vorne schneidet er sich – und hier hinten fängt er dann stark an zu bluten?» grübelte Peter. «Gibt es denn Blutspuren zwischen der Tür und hier?»
«Wir haben nichts gefunden.»
«Eigenartig. Und dann, was hat er überhaupt hier in der Ecke gewollt? Wenn ich mich böse schneiden würde, dann sähe ich doch zu, daß ich in die Küche zum Wasserhahn käme und nicht ans Bücherregal.»
«Zu dunkel vielleicht? Die Räumlichkeiten nicht bekannt?» schlug Charles vor.
«Die Vorhänge weit aufgezogen, außerdem fast Vollmond!» konterte Wimsey. «Aber wenn er nicht von der Terrasse her hineingekommen ist, wie dann?»
Ein Beamter trat an Charles heran: «Wir könnten den Leichnam jetzt wegbringen lassen, Sir.»
«Einen Moment noch», sagte Charles. «Willst du dir das rasch noch ansehen, Wimsey?»
Er wies den Weg durch einen weiteren Korridor, der von der Wohnzimmerhälfte des Raumes zu den Schlafzimmern führte.
«Schau einer an!» stieß Peter leise aus. «Da haben wir ja unsere aufgebrochene Tür!»
«Ja, sie muß sich wohl eingeschlossen haben, als sie zu Bett ging.» Charles schwang die Tür weit auf und hörte überrascht, wie Peter heftig die Luft einzog.
Rosamund Harwell lag auf dem Rücken, die Knie leicht angezogen, ihre rechte Hand hing neben dem Bett herab. Um sie herum türmten sich Seidenkissen neben dem Bettzeug. Ihr atemberaubendes rotblondes Haar umrahmte ihr dunkel angelaufenes, aufgedunsenes Gesicht wie ein zerzauster Heiligenschein. Ihre Zungenspitze trat zwischen den schwarz verfärbten Lippen hervor. Sie trug ein weißes Kleid und einen weißen gefältelten Kragen.
«Herr im Himmel, Charles!» ließ sich Peter schwach vernehmen.
«Tut mir leid, alter Knabe, war das rücksichtslos von mir? Ich hatte angenommen, daß du den Anblick einer Leiche schon ein-, zweimal über dich hast ergehen lassen müssen.»
«Der Kragen! Harriet trägt genau so einen!» erklärte Peter.
«Ach, diese gottverdammte Mode! Wie eine Herde Schafe rennen ihr die Frauen hinterher und ziehen alle das gleiche an», philosophierte Charles. «Gott sei Dank hat ja Mary mehr Verstand. Aber das Problem ist dir klar, Peter?»
«Allerdings», antwortete Peter. «Vollkommen klar. Tatsächlich sogar noch mehr als nur dieses eine. Sie sollen sie mitnehmen, Charles, ich habe genug gesehen.»
Ein Konstabler mit riesigen Händen trat einen Schritt vor und breitete taktvoll ein Laken über Rosamunds entstelltes Antlitz. Im Korridor warteten schon die Kollegen mit der Tragbahre, als Peter und Charles das Feld räumten.
«Ich habe Bunter gesagt, er soll ein paar Aufnahmen machen, Charles. Hast du etwas dagegen? Bevor ihr die Tür versiegelt. Ich weiß natürlich, deine Leute haben auch schon fotografiert, aber …»
«Ich bitte dich. Seine Fotografien sind bemerkenswert, und er kennt sich gut genug mit unserer Arbeit aus, um hier nichts durcheinanderzubringen. Bist du wieder soweit hergestellt, daß wir einen Happen essen können?»
«Vollkommen, danke der Nachfrage. Tut mir leid, daß ich mich so idiotisch benommen habe.»
«Nicht doch. Ich hätte wissen müssen, daß so ein Mord etwas ganz anderes ist, wenn man das Opfer gekannt hat.»
Sie hatten sich im Dorfpub in einem kleinen Nebenzimmer
mit Bier und Sandwiches häuslich niedergelassen, vor einem prasselnden Kaminfeuer. Durch das Fenster hatte man einen schönen Ausblick auf den Fluß, auf den Weidenzweige wie Girlanden herabhingen und der von Zeit zu Zeit durch ein vorbeikommendes Ruderboot oder Skiff belebt wurde.
«Also schön, Problem Nummer eins: Wen hat sie erwartet, und ist er aufgetaucht oder nicht? Und wenn nicht, warum nicht? Kann denn ihr Mann da keine Auskunft geben, der arme Kerl?»
«Der ist vorläufig gar nicht ansprechbar. Er hat den Leichnam heute am frühen Morgen selbst gefunden. Wir können ihn immer noch fragen, wenn er Zeit gehabt hat, sich zu sammeln. Aber ich wollte deine Meinung zum Tatort.»
«Warum denn ausgerechnet meine?»
«Weil ich wissen wollte, ob jemand aus deinen gehobenen Kreisen auch
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