Untitled
Maler entgegenbringt, das alles spielt eine Rolle.»
«Und das Ergebnis wird die betreffende Person nicht so zeigen, wie sie sich in einem der Millionen Sekundenbruchteile, die hätten abgelichtet werden können, darstellte, sondern wie sie eine Stunde, eine Woche oder ein Jahr lang ausgesehen hat.»
«Wie der Maler sie in dieser Zeit wahrgenommen hat, ja.»
«Ich habe ein Portrait gesehen», sagte Harriet nachdenklich, «auf dem man das Modell in mehr als nur einer Weise dargestellt sieht, und zwar auf ein und derselben Leinwand.»
«Das klingt nach einem sehr klugen und talentierten Maler. Wer war es?»
«Gaston Chapparelle. Ich habe es in seinem Atelier gesehen, als ich ihm Modell saß. Ich bin gespannt, was er aus mir macht.» Peter, erinnerte sich Harriet, hatte gewollt, daß jemand ihr zeigte, wie sie war.
«Oh, er ist sehr gut», sagte Miss Fanshaw. «Besser bei Frauen als bei Männern.»
«Und Sie, ist es bei Ihnen umgekehrt?»
«Eigentlich nicht. Frauen finde ich interessant. Sie haben mehr zu verbergen.»
«Tatsächlich? Sie sollten meinen Mann einmal erleben, wenn er in Gesellschaft von Leuten ist, die er nicht mag, oder wenn er es für diplomatisch erachtet, sich bedeckt zu halten. Überhaupt, das würde ich mir von Ihnen wünschen: Fotografieren Sie Peter für mich. Bislang stammen alle seine Bilder von Bunter.»
«Mervyn ist ein sehr guter Fotograf.»
«Aber vielleicht einen Tick zu respektvoll?»
Auf Miss Fanshaws Gesicht zeigte sich ein breites Lächeln. «Ich nehme an, das könnte sein», sagte sie. «Lady Peter, ich habe schon zu viel von Ihrer Zeit in Anspruch genommen. Ich muß mich verabschieden. Wenn Sie ein Portrait machen lassen wollen, rufen Sie doch im Atelier an. Wir können jederzeit einen Termin ausmachen.»
«Es war sehr interessant, Sie kennengelernt zu haben, Miss Fanshaw. Das werde ich ganz bestimmt tun.»
Als die Besucherin sich erhob, erschien Meredith erneut, spürbar in Panik, und verkündete: «Helen, Herzogin von Denver, Mylady.» Und da Helen nicht so lange abwartete, bis sie angemeldet war, sondern Meredith auf dem Fuße folgte, begegneten sich die beiden Frauen auf der Treppe.
«Was war das denn für eine eigenartige Person, Harriet?» waren Helens erste Worte.
«Eine Bekannte von Bunter», antwortete Harriet unvorsichti
gerweise und fragte sich, was es wohl war, das ihrer Schwägerin an der Erscheinung von Hope Fanshaw eigenartig vorgekommen sein mochte.
«Du lieber Himmel!» Helen stimmte fast einen Klagegesang an, als sie das Kaffeeservice sah, das Meredith gerade wegtrug. «Harriet, Leute solchen Standes bewirtet m an doch nicht!»
«Leute welchen Standes bitte, Helen?» fragte Harnet.
«Miss Fanshaw ist keine Dienstbotin, sondern übt einen selbständigen Beruf aus, wie ich auch. Nimm Platz, möchtest du etwas trinken?»
«Nein danke, Harriet, ich kann nicht lange bleiben. Ich wollte etwas mit dir besprechen, unter vier Augen, da Peter, wie ich von der Herzoginwitwe gehört habe, verreist ist.»
«Er hat also seine Mutter angerufen», dachte Harriet.
«Ob er wohl ihr gesagt hat, worum es geht?»
«Ja, Peter ist nicht da», bestätigte sie und wartete ab, was Helen wohl vorhatte. Bei ihr bestand keine Notwendigkeit, sie noch zu ermuntern.
«Ich habe überlegt, ob ich dir sagen soll», begann Helen, «daß, falls du Bunter loswerden möchtest … also, es ist durchaus üblich, verstehst du, daß die Braut sich ihr Personal selbst aussuchen kann. Du brauchst niemanden zu behalten. Viele Leute ziehen es vor, nicht die alten Dienstboten um sich zu haben, die sich an den gewohnten Trott klammern und den Ehemann besser kennen als man selbst. Und Bunter …»
«Bunter erfüllt seine Aufgaben zu unserer vollsten Zufriedenheit, danke», erwiderte Harriet. «War es das, weswegen du mich sprechen wolltest?»
«Nein», sagte Helen. «Das nur am Rande. Natürlich, wenn er dich nicht stört … Die Sache ist die, wir alle verstehen durchaus, daß du in deinen Verhältnissen – den Verhältnissen, in denen du bis zu deiner Heirat gelebt hast, meine ich –, daß du für dich selbst sorgen mußtest. Zweifellos war das Schreiben von Kriminalgeschichten das einzige, was du hast machen können. Aber wir hatten natürlich gehofft, daß du das Ganze jetzt aufgeben würdest. Offen gestanden war es ein großer Schock für uns, neulich abend zu hören, daß du vorhast, auch deine künftigen Bücher weiterhin unter deinem Mädchennamen zu veröffentlichen, jetzt, wo
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