Untitled
mitgemacht haben. Sie kennt auch die anderen Täter. Alex, es sind New Yorker Polizisten! Das Superhirn ist ein Bulle!«
D as Superhirn ist ein Bulle. W enn das stimmte, ergab es in vieler Hinsicht einen Sinn. Es erklärte teilweise, weshalb er so viel über Sicherheitsvorkehrungen in Banken gewusst hatte – und über uns.
Viertel nach fünf Uhr morgens traf ich mich mit Betsey Cavalierre und vier weiteren FBI-Agenten auf Bolling Field. Ein Hubschrauber wartete auf uns. Wir starteten in einer dicken grauen Suppe. Kaum waren wir in der Luft, verschwand bereits der Boden unter uns.
Wir waren aufgeregt und extrem neugierig. Betsey saß mit ihrem Kollegen Michael Doud in der ersten Reihe. Sie trug ein hellgraues Kostüm mit weißer Bluse und sah wieder ernst und offiziell aus. Agent Doud verteilte Ordner mit Dossiers der verdächtigen Detectives in New York City.
Ich las das Hintergrundmaterial, während wir geradewegs nach New York flogen. Die fraglichen Detectives waren aus Brooklyn. Sie arbeiteten für das Einundsechzigste Revier, das sich in der Nähe von Coney Island und Sheepshead Bay befand. Laut Spickzettel war dieses Revier eine Mischung verschiedener Kulturen und Krimineller: Mafia, Russen, Asiaten, Hispanos, Schwarze. Die fünf verdächtigen Polizisten arbeiteten seit über zwölf Jahren zusammen und waren nachweislich eng befreundet.
Den Akten zufolge waren sie »gute Beamte«. Aber es hatte auch Warnsignale gegeben. Sie benutzten ihre Waffen häufiger als der Durchschnitt, sogar für Drogenfahnder. Gegen drei der fünf waren mehrmals Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Anführer des Rudels war Detective Brian Macdougall.
Über die fünfzehnjährige Zeugin gab es ein halbes Dutzend Seiten. Sie war Detective Brian Macdougalls Tochter, eine Einserschülerin an der Ursuline Highschool, aber offenbar auch eine Einzelgängerin, die nie viele Freunde gehabt hatte. Sie schien verantwortungsbewusst, zuverlässig und glaubwürdig zu sein, jedenfalls nach den Aussagen der New Yorker Polizisten,
die sie vernommen hatten.
Auch der Grund, weshalb das Mädchen den eigenen Vater denunzierte, war plausibel: Er trank und verprügelte dann zu Hause ihre Mutter. »Und er hat die Entführung bei der Metro Hartford begangen. Er und seine Polizeikumpel«, hatte das Mädchen ausgesagt.
Offen gestanden, hatte ich ein gutes Gefühl. Alles lief nach dem üblichen Schema ab: Man warf eine Menge Netze aus und überprüfte sie, und gelegentlich hatte man etwas drin. Und sehr oft kamen die Hinweise von einem Freund oder Verwandten des Verbrechers. Wie von dieser zornigen Tochter, die sich an ihrem Vater rächen wollte.
Um halb acht betraten wir das Konferenzzimmer im One Police Plaza, wo mehrere Angehörige der New Yorker Polizei auf uns warteten, darunter der Chief of Detectives. Ich fungierte als Vertreter der Washingtoner Polizei. Mir war klar, dass Kyle Craig maßgeblich daran beteiligt war, dass ich an dieser Besprechung teilnahm. Er wollte, dass ich die Geschichte des Mädchens aus erster Hand hörte.
Kyle wollte wissen, ob ich der Kleinen glaubte.
V eronica Macdougall war bereits in dem großen Konferenzzimmer. Sie trug verknitterte Jeans und ein ausgefranstes grünes Sweatshirt. Ihr lockiges rotes Haar war ungepflegt. Die dunklen Augenringe verrieten mir, dass sie seit geraumer Zeit nicht geschlafen hatte.
Das Mädchen atmete schnell und tief. Ihre Augen waren kleine grüne Perlen und voller Angst. »Ich habe gestern Nacht etwas aufgeschrieben. Ordnung in meine Gedanken gebracht. Ich lese Ihnen meine Aussage vor, dann können Sie Fragen stellen, wenn Sie wollen.«
Der Chief of Detectives meldete sich. Er war ein schwergewichtiger Mann mit dichtem grauem Schnurrbart und langen Koteletten. Er gab sich Mühe, die Kleine nicht einzuschüchtern. »Das ist prima, Veronica. Mach es, wie du willst. Uns ist alles recht. Lass dir ruhig Zeit.«
Veronica schüttelte den Kopf und wirkte sehr, sehr unsicher. »Ich bin okay. Ich muss das tun«, erklärte sie. Dann begann sie mit ihrer Geschichte.
»Mein Vater ist einer von den Typen, den die Leute einen richtigen Mann nennen. Und er ist sehr stolz darauf. Seinen Freunden gegenüber ist er nett und zuverlässig, vor allem bei den Kollegen von der Polizei. Er ist der Typ ›prima Kumpel‹. Aber er hat noch eine andere Seite. Meine Mutter war früher sehr hübsch. Das war vor zehn Jahren und dreißig Pfund Körpergewicht. Sie braucht hübsche Dinge. Ich meine, sie
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