Untitled
braucht einfach Dinge, Besitz wie Kleider und Schuhe. Sie ist ihr Besitz.
Sie ist vielleicht wirklich nicht gerade der klügste Mensch auf der Welt, aber mein Vater hält sich selbst dafür. Deshalb nörgelt er ständig an ihr herum. Vor ein paar Jahren hat er angefangen zu trinken. Und wenn er voll war, ist er richtig bösartig geworden und hat meine Mutter geschlagen. Er nennt sie ›Schlampe‹ und ›Sandsack‹. Ist er nicht ein kluges Kerlchen?«
Veronica machte eine Pause und ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. Sie wollte unsere Reaktion auf ihre Worte prüfen. Es war gespenstisch still im Raum. Keiner von uns konnte den Blick von dem Teenager und der in den grünen Augen aufsteigenden Wut abwenden.
»Deshalb bin ich heute hier. Deshalb bin ich imstande, etwas so Schreckliches zu tun, wie meinen eigenen Vater zu verpfeifen.«
Wieder machte Veronica eine Pause und schaute uns trotzig an. Meine Augen ruhten wie gebannt auf ihr. Die Augen aller Anwesenden. Ja, es ergab wirklich einen Sinn: der entscheidende Hinweis von einem Familienmitglied.
»Mein Vater weiß nicht, dass ich viel klüger bin als er – und außerdem bin ich eine sehr gute Beobachterin. Vielleicht habe ich das von ihm gelernt. Ich erinnere mich, dass ich so mit zehn genau wusste, dass ich auch Polizistin werden wollte. Ziemliche Ironie, nicht? Ziemlich pathetisch, finden Sie nicht auch?
Als ich älter wurde, fiel mir auf, dass mein Vater viel mehr Geld zu haben schien, als er haben sollte. Manchmal machte er mit uns eine ›Schlechtes-Gewissen-Reise‹ nach Irland oder in die Karibik. Und er hatte immer Geld. Trug sehr teure Kleidung, edle Sachen von Barneys und Saks. Jedes zweite Jahr fuhr er ein neues Auto. Und in Sheepshead Bay lag ein schnittiges weißes Segelboot.
Voriges Jahr war mein Vater an einem Freitagabend schrecklich besoffen. Ich weiß noch, dass er am Samstag mit seinen Kollegen zur Aquädukt-Rennbahn wollte. Er ging zu Fuß zum Haus meiner Großmutter, nur ein paar Straßen von uns entfernt. Ich folgte ihm an diesem Abend. Er war viel zu betrunken, um es zu bemerken.
Mein Vater ging in einen alten Geräteschuppen hinter Großmutters Haus. Drinnen schob er eine Werkbank zur Seite und nahm ein paar Bretter herunter. Ich konnte nicht genau sehen, was er tat, deshalb bin ich am nächsten Tag wieder hingegangen und habe hinter die Bretter geschaut. Da war Geld – 'ne Menge. Ich habe keine Ahnung, woher es stammte. Ich weiß es heute noch nicht. Aber ich wusste, dass es nicht das Gehalt eines Polizisten war. Ich habe fast zwanzigtausend Dollar gezählt. Ein paar hundert habe ich eingesteckt, das hat er nie gemerkt.
Danach habe ich die Augen offen gehalten. Vor kurzem – so vor einem Monat – haben mein Vater und seine Freunde irgendein Ding geplant. Es war so offensichtlich. Sie haben immer nach dem Dienst zusammengesteckt. Und eines Abends habe ich gehört, wie er zu seinem Kumpel Jimmy Crews etwas über Washington gesagt hat. Danach ist er für vier Tage weggefahren.
Am vierten ist er nachmittags nach Hause gekommen. Es war der Tag nach der MetroHartford-Geiselnahme. Gegen drei Uhr fing er an zu ›feiern‹, um sieben war er schon jenseits von gut und böse. An dem Abend hat er meiner Mutter einen Wangenknochen gebrochen. Er verletzte sie am Auge und hätte es beinahe ausgeschlagen. Mein Vater trägt diesen blöden Siegelring von St. John's. Diese Spezialtruppe, Sie wissen schon. Später am Abend bin ich zum Schuppen meiner Großmutter gegangen und habe das Geld gefunden. Ich konnte es nicht fassen. So viel Geld, alles Scheine.«
Veronica Macdougall griff unter den Tisch und zog einen hellblauen Rucksack hervor, die Sorte, die Schulkinder tragen. Sie öffnete ihn, holte mehrere Bündel Geldscheine heraus und zeigte sie uns. Ihr Gesicht war eine Maske aus Scham und Schmerz.
»Hier sind zehntausendvierhundert Dollar. Das Geld war im Schuppen meiner Großmutter. Mein Vater hat es da versteckt. Er hat bei dieser Geiselnahme in Washington mitgemacht. Er hält sich für so gottverdammt gescheit.«
Erst jetzt, als Veronica uns alles bis zu Ende erzählt hatte, machte sie schlapp und weinte. »Es tut mir Leid«, sagte sie. »Es tut mir sehr Leid.« Meiner Meinung nach entschuldigte sie sich für die Taten ihres Vaters.
I ch glaubte ihr. Mir schwirrte immer noch der Kopf von Veronica Macdougalls schrecklichem Geständnis über ihren Vater, den Polizisten. Jetzt stellte sich die fesselnde Frage: Hatte diese Gruppe
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