Untitled
schwacher Lichtschein zu erkennen war. Es stand oben ein paar Zentimeter weit offen und gehörte offensichtlich zu einer Toilette, und durch das Glas erkannte Mrs. Ransome auf dem Fenstersims schwach den verschwommenen Umriß einer Toilettenrolle. Es war ohne Zweifel ein Zufall, daß sie blau war, auch noch vergißmeinnichtblau, ein Farbton, den Mrs. Ransome bei ihren eigenen Toilettenrollen immer bevorzugt hatte und der nicht immer leicht zu finden war. Sie drückte ihr Gesicht an das Glas, um sie deutlicher sehen zu können, und sah dann noch etwas anderes.
»Schau mal, Liebster«, sagte Mrs. Ransome. Doch Mr. Ransome schaute nicht hin. Er lauschte.
»Sei still«, sagte er. Er konnte Mozart hören.
Und durch den Spalt im Toilettenfenster schwebten die vollen, dunklen, üppigen und absolut unverwechselbaren Töne von Dame Kiri Te Kanawa.
»Per pietà, ben mio«, sang sie gerade, »perdona all'error d'un amante.«
Und die Musik wehte heraus in die feuchte Dämmerung, erhob sich über Rasant & Zuverlässig in Gebäude 14 und über Croda Klebstoffe in Gebäude 16 und Lansyl Selant Dichtungsstoffe in Gebäude 20 (die Gebäude 17-19 waren zu vermieten).
»O Dio«, sang Dame Kiri. »O Dio.«
Und die Umgehungsstraße hörte es, und die verhüllten, verkümmerten Baumschößlinge, die dort gepflanzt worden waren, und das schmutzige, tröpfelnde Flüßchen, das sich durch eine Betonröhre zu einem klumpigen Feld auf der anderen Seite zog, wo ein schäbiges Pferd nachdenklich zwei Fässer und eine Stange anstarrte. Alle hörten es.
Elektrisiert von den Klängen der antipodischen Sängerin, kletterte Mr. Ransome das Abflußrohr hinauf und kniete sich unter Schmerzen auf den Fenstersims. Während er sich mit einer Hand an das Rohr klammerte, drückte er mit der anderen das Fenster fünf Zentimeter weiter auf und zwängte seinen Kopf so weit es ging hinein und wäre dabei beinahe vom Fenstersims gerutscht.
»Vorsicht«, sagte Mrs. Ransome.
Mr. Ransome begann zu rufen: »Hallo. Hallo?«
Mozart verstummte, und irgendwo fuhr ein Bus vorbei.
In diese Stille hinein rief Mr. Ransome erneut, diesmal beinahe fröhlich: »Hallo!«
Plötzlich brach ein Tumult los. Hunde fingen an zu bellen, eine Sirene heulte, und Mr. und Mrs. Ransome wurden von einem halben Dutzend Sicherheitslampen festgenagelt und geblendet, die direkt auf ihre schrumpfenden Gestalten gerichtet waren. Vor Schreck versteinert klammerte sich Mr. Ransome verzweifelt an das Klofenster, während sich Mrs. Ransome, so dicht es ging an die Mauer drückte, und eine Hand (unaufdringlich, wie sie hoffte) auf den Fenstersims schob, um an Mr. Ransomes Knie Trost zu suchen.
Dann hörte der Tumult genauso plötzlich auf, wie er angefangen hatte; die Lichter erloschen, das Sirenengeheul verlor sich, und das Hundegebell verebbte zu einem gelegentlichen Knurren. Während er zitternd auf dem Sims stand, hörte Mr. Ransome, wie eine Tür zurückgeschoben wurde und Schritte ohne Eile über den Hof kamen.
»Tut mir leid, Leute«, sagte eine männliche Stimme. »Wegen der Einbrecher, leider, ein paar Maßnahmen, um sie zu entdecken und abzuschrecken.«
Mrs. Ransome starrte in die Dunkelheit, doch da sie immer noch halb geblendet war von den Lichtern, konnte sie nichts sehen. Mr. Ransome rutschte am Abflußrohr nach unten und stellte sich neben sie. Sie griff nach seiner Hand.
»Hier entlang, Kameraden und Kameradinnen. Hier herüber.«
Mr. und Mrs. Ransome stolperten über das restliche Gras auf den Asphalt, wo sich unter der offenen Tür die Umrisse eines jungen Mannes abzeichneten.
Verwirrt folgten sie ihm in den Hangar, und bei Licht besehen gaben sie ein traurig aussehendes Paar ab. Mrs. Ransome humpelte, denn einer ihrer Absätze war abgebrochen, und beide Strümpfe hatten Laufmaschen. Mr. Ransomes Hose hatte am Knie einen Riß, er hatte Hundescheiße an den Schuhen, und auf seiner Stirn, wo er das Gesicht an die Scheibe gedrückt hatte, war ein langer, schwarzer Fleck.
Der junge Mann lächelte und streckte die Hand aus. »Maurice. Rosemary. Hi. Ich bin Martin.«
Er hatte ein angenehmes, offenes Gesicht, und obwohl er eines von diesen Bärtchen trug, mit denen sie in Mrs. Ransomes Augen alle wie Giftmischer aussahen, sah er für einen Lageristen irgendwie ziemlich stilvoll aus. Nun gut, er trug eine von diesen Mützen, die einmal die charakteristische Kopfbedeckung amerikanischer Golfer gewesen waren, inzwischen aber
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