Untitled
beunruhigt. Eins der gekidnappten Kinder war schon tot. Warum war er so selbstgefällig und entspannt? Was wußte er, das ich nicht wußte? Wer war Gary Soneji? Wer war der Pilot? In welcher Verbindung standen sie?
Etwa eine halbe Stunde später flog die Cessna eine kleine, von weißen Sandstränden umgebene Insel an. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren. Vielleicht irgendwo auf den Bahamas? Folgte uns das FBI noch? Überwachte uns vom Himmel aus? Oder hatte er sie irgendwie abgehängt?
»Wie heißt die Insel da unten? Wo sind wir? Ich kenne mich überhaupt nicht mehr aus.«
»Das ist Little Abaco«, antwortete er schließlich. »Werden wir verfolgt? Vom FBI? Elektronisch überwacht? Tragen Sie eine Wanze?«
»Nein«, sagte ich. »Keine Wanzen. Ich habe nichts im Ärmel versteckt.«
»Haben die vielleicht das Geld präpariert?« Er schien alle Möglichkeiten zu kennen. »Leuchtfarbe?«
»Nicht daß ich wüßte«, sagte ich. Das stimmte. Ich konnte mir aber nicht sicher sein. Das FBI hatte mir vielleicht nicht >
alles erzählt.
»Das will ich auch hoffen. Schwer, euch Leuten nach dem Theater in Disney World zu trauen. Es hat ja von Cops und FBI-Agenten nur so gewimmelt. Nachdem wir euch gesagt haben, ihr sollt das lassen. Heutzutage kann man niemandem mehr trauen.«
Er versuchte es mit Humor. Es war ihm gleich, ob ich darauf reagierte. Er wirkte wie ein Mann, der total heruntergekommen ist, aber eine letzte Chance auf etwas Geld bekommen hatte. Auf das schmutzigste Geld der Welt.
Am Strand war eine schmale Landebahn. Der plattgewalzte Sandstreifen war ein paar hundert Meter lang. Das Flugzeug setzte mühelos und fachmännisch auf. Der Pilot wendete schnell und rollte dann auf eine Palmengruppe zu. Es wirkte wie geplant. Jede Einzelheit gelungen. Bis jetzt perfekt.
Keine malerische Inselhütte. Keinerlei Gebäude. Die Hügel jenseits des Strandes waren mit üppiger tropischer Vegetation überwuchert.
Keinerlei Anzeichen von irgend jemandem. Keine Maggie Rose. Kein Soneji.
»Ist das Mädchen hier?« fragte ich.
»Gute Frage«, antwortete er. »Warten wir's ab. Ich halte Ausschau nach ihr.«
Er schaltete den Motor ab, und wir warteten schweigend und in erstickender Hitze. Keine Antworten mehr auf meine Fragen. Ich hätte am liebsten die Armlehne herausgerissen und ihn damit geschlagen. Ich biß die Zähne so fest zusammen, daß ich Kopfschmerzen bekam.
Er richtete den Blick auf den wolkenlosen Himmel über der Landebahn. Er schaute eine Weile durch die Windschutzscheibe. Mir fiel in der Hitze das Atmen schwer.
Ist das kleine Mädchen hier? Ist Maggie Rose am Leben? Hol dich der Teufel!
Ständig landeten Insekten auf dem getönten Glas. Ein paarmal schwebte ein Pelikan vorbei. Der Ort wirkte einsam. Sonst tat sich nichts.
Es wurde heißer, unerträglich heiß. So heiß, wie es in einem Auto wird, wenn es in der Sonne steht. Der Pilot schien es nicht zu spüren. Er war offenbar an diese Art von Wetter gewöhnt.
Die Minuten verstrichen zu einer Stunde. Dann zu zwei Stunden. Ich war schweißnaß und kam um vor Durst. Ich versuchte, nicht an die Hitze zu denken, aber das war unmöglich. Ich dachte ständig daran, daß das FBI uns aus der Luft beobachten mußte. Eine Pattsituation. Wer würde sie brechen?
»Ist Maggie Rose Dunne hier?« fragte ich noch ein paarmal. Je länger es dauerte, desto mehr Angst hatte ich um sie.
Keine Antwort. Keine Andeutung, ob er mich überhaupt gehört hatte. Er schaute nie auf die Uhr. Er drehte sich nicht um, rührte sich nicht. War er in einer Art Trance? Was war mit dem Kerl los?
Ich starrte die Armlehne an, an die er mich angekettet hatte. Ich glaubte, das sei der erste Fehler, den sie gemacht hatten. Sie war alt und wackelte, als ich an ihr rüttelte. Vielleicht konnte ich sie aus der Halterung reißen. Ich wußte, wenn ich das schaffte, wurde es brenzlig für mich. Aber ich mußte es versuchen. Es war die einzige Lösung.
Dann, so unvermittelt und unerwartet, wie wir gelandet waren, rollte die Cessna auf den Sandstreifen zurück. Wir hoben wieder ab. Wir flogen tief, unter dreihundert Meter. Kühle Luft kam ins Flugzeug. Das Dröhnen des Propellers wirkte hypnotisch auf mich.
Es wurde dunkel. Ich schaute der Sonne beim abendlichen Verschwinden zu, bis sie völlig vom vor uns liegenden Horizont geglitten war. Die Aussicht war schön und unter den Umständen gespenstisch. Ich wußte jetzt, worauf wir gewartet hatten. Auf den Einbruch der Nacht. Er wollte nachts
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