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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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dem Weg gegangen. D´Emilio setzte etwas Rundes auf Hobans Kopf. Heilige Mutter Gottes, eine schwarze Mütze. Nein, ein schwarzes Stirnband. Nein, das war ein Strumpf, ein schwarzer Strumpf. O Gott im Himmel, Mutter des Himmels und der Erde, ein schwarzer Strumpf, der die Züge meines Henkers entstellen soll! »Hoban. Tiger. Hoban. Hören Sie mich an. Sehen Sie nicht dauernd auf die Uhr. Bunny. Halt! Mirsky! Warten Sie! Was habe ich Ihnen getan? Nur Gutes, ich schwör´s! Tiger! Mein ganzes Leben lang! Warten Sie! Halt!«
    Er stieß diese Worte so mühsam hervor, als könne er kein Englisch mehr, als müsse er das erst aus anderen Sprachen übersetzen. Aber er konnte keine andere Sprache, weder Russisch noch Polnisch noch Türkisch noch Französisch. Er starrte um sich und erblickte oben am Hang Monsieur François, den Vermessungsingenieur; er trug Kopfhörer und spähte durchs Visier einer Filmkamera, an der ein schaumstoffumhülltes Mikrofon befestigt war. Er sah die schwarz maskierte und weiß verhüllte Gestalt Hobans in gestellt, eine Hand um die Pistole gekrümmt, die auf Winsers linke Schläfe gerichtet war, die andere Hand mit einem Handy am Ohr, während er Winser nicht aus den Augen ließ und süße Nichtigkeiten auf Russisch in die aufgeklappte Sprechmuschel flüsterte. Er sah Hoban ein letztes Mal auf die Uhr blicken, während Monsieur François sich in bester Fotografentradition bereit machte, diesen einzigartigen Moment für immer festzuhalten. Und er sah einen Jungen mit schmutzigem Gesicht, der aus einem Spalt zwischen zwei Felsen zu ihm hinabblickte. Er hatte große braune ungläubige Augen, wie Winser, als der in seinem Alter gewesen war, und lag auf dem Bauch und hatte das Kinn auf beide Hände wie auf ein Stützkissen gelegt.

    2
    »Oliver Hawthorne. Kommen Sie bitte sofort hierher. Und zwar schleunigst. Jemand möchte Sie sprechen.« In der Kleinstadt Abbots Quay, in den Hügeln Südenglands an der Küste von Devon, stand eines funkelnden, vom Duft der Kirschblüten durchwehten Morgens Mrs. Elsie Watmore vor ihrer viktorianischen Pension und rief gutgelaunt nach ihrem Mieter Oliver, der auf dem Gehsteig zwölf Stufen unter ihr mit Hilfe ihres zehnjährigen Sohnes Sammy mehrere ramponierte schwarze Koffer in seinen japanischen Lieferwagen lud. Mrs. Watmore hatte es aus dem eleganten Badeort Buxton im Norden nach Abbots Quay verschlagen, und auch hier verzichtete sie nicht auf die dort erworbenen anspruchsvollen Umgangsformen. Ihre Pension war eine viktorianische Sinfonie aus Spitzenvolants, vergoldeten Spiegeln und Glasvitrinen voller winziger Schnapsflaschen. Das Haus hieß Mariners´ Rest, und sie hatte dort glücklich mit Sammy und ihrem Mann Jack gelebt, bis dieser, den verdienten Ruhestand vor Augen, auf See ums Leben gekommen war. Sie war eine füllige Frau, klug, attraktiv und einfühlsam. Ihr Derbyshire-Akzent, den sie der komischen Wirkung halber angenommen hatte, schallte wie eine Bandsäge über die steil abfallenden Küstenterrassen. Sie war Freitag, der Tag, an dem sie ihre Haare zu waschen pflegte. Von See her wehte eine linde Brise. »Sammy, Lieber, stoß Ollie mal in die Rippen und sag ihm, jemand ist für ihn am Telefon, bitte - er schläft wie üblich - im Flur! Mr. Toogood von der Bank. Irgendwelche Routinesachen zu unterschreiben, sagt er, aber dringend - und da er zur Abwechslung mal sehr höflich und gentlemanlike ist, beeil dich, damit er mir nicht wieder den Überziehungskredit kürzt.« Sie wartete, sie übte Nachsicht; das war bei Ollie so ziemlich das einzige, was man tun konnte. Nichts bringt ihn aus der Ruhe, dachte sie. Nicht, wenn er in sich gekehrt ist. Er würde mich nicht mal hören, wenn ich ein Luftangriff wäre. »Sammy lädt die Koffer für Sie ein, stimmt´s, Samuel, das tust du doch«, fügte sie als weiteren Anreiz hinzu.
    Sie wartete weiter, vergebens. Sie sah Olivers schwammiges Gesicht unter der Zwiebelhändler-Baskenmütze, die sein Markenzeichen war: mit grimmigem, konzentriertem Flunsch reichte er Sammy den nächsten schwarzen Koffer zum Verstauen im Laderaum des Lieferwagens. Die beiden sind aus dem gleichen Holz geschnitzt, dachte sie nachsichtig, während sie zusah, wie Sammy den Koffer in alle möglichen Winkel hineinzuzwängen versuchte; langsam war er schon immer gewesen, noch langsamer freilich seit dem Tod des Vaters. Alles macht ihnen Probleme, jede Kleinigkeit. Man könnte meinen, sie wollen nach Monte Carlo, nicht bloß ein Stück die

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