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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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gebracht?«
    »Mit dem Taxi, Junge. Vom Bahnhof. Er ist mit dem Zug gekommen, genau wie du, nur war es nicht Sonntag. Er wollte nicht auffallen.«
    »Und was hast du gemacht? Ihn im Holzschuppen versteckt?« Sie stand hinter einem Stuhl und hielt sich krampfhaft an der Lehne fest. »Wir haben einen Rundgang gemacht, wie wir es immer tun; haben uns alles angesehen, woran er hängt, und es fotografiert«, sagte sie abwehrend. »Er hatte den braunen Raglanmantel an, den ich ihm zum Vierzigsten geschenkt habe und den wir seinen Liebesmantel nennen. Ich habe zu ihm gesagt: Geh nicht, bleib hier. Ich habe gesagt, ich würde für ihn sorgen. Er wollte nichts davon hören. Er müsse das Schiff retten, hat er gesagt. Noch sei Zeit. Jewgenij müsse die Wahrheit erfahren, dann wäre alles wieder in Ordnung. ›Ich habe sie Weihnachten abgewehrt, und das werde ich jetzt wieder tun.‹ Ich war stolz auf ihn.«
    »Was ist denn Weihnachten passiert?«
    »In der Schweiz, Junge. Erst habe ich gedacht, er würde mich mitnehmen, wie in alten Zeiten. Aber es ging nur um Arbeit, Arbeit, nichts als Arbeit. Rauf und runter wie ein Jojo. Nicht mal seinen Weihnachtspudding hat er angerührt, dabei mag er ihn so gern. Mrs. Henderson hätte beinahe geweint. Aber er hat es geschafft. Er hat sie abgewehrt. Alle. ›Die haben sich eine blutige Nase geholt‹, hat er gesagt. ›Auch Jewgenij hat am Ende zu mir gehalten. So was werden die so schnell nicht noch mal versuchen.‹« »Wer?«
    »Was weiß ich. Hoban. Mirsky. Wie soll ich das wissen? Die Leute, die versucht haben, ihn fertigzumachen. Die Verräter. Du gehörst auch dazu. Er hat gesagt, er habe etwas für dich. Auch wenn er niemals mehr etwas von dir sehen oder hören sollte, du so gemein zu ihm gewesen bist. Etwas, das er dir versprochen habe. Diese Einstellung ist typisch für ihn. Für mich auch. Wir haben dir immer gesagt, seine Versprechen muß man halten.«
    »Und da hast du ihm von Carmen erzählt.«
    »Er war überzeugt, daß ich wußte, wo du steckst. Er ist klug. Das war er schon immer. Er hatte gemerkt, daß ich nicht wie sonst in Sorge um dich war. Und warum? Er ist Anwalt, und dagegen kommt man nicht an. Ich sagte, alles Unsinn, und da hat er mich geschüttelt. Nicht so fest wie früher oft, aber fest genug. Ich wollte ja weiter für dich lügen, aber dann wußte ich plötzlich nicht mehr, warum eigentlich? Du bist unser einziger Sohn. Du gehörst uns beiden. Ich habe ihm erzählt, daß er Großvater ist, und da hat er wieder geweint. Kinder meinen immer, ihre Eltern sind gefühllos, und wenn die Eltern dann mal weinen, finden sie das lächerlich. Er hat gesagt, er braucht dich.« »Er braucht mich? Wozu denn?«
    »Er ist dein Vater, Ollie! Er ist dein Partner! Alle haben sich gegen ihn verschworen. An wen soll er sich denn wenden, wenn nicht an seinen eigenen Sohn? Du stehst in seiner Schuld. Du mußt zu ihm halten.« »Das hat er gesagt?«
    »Ja! Wortwörtlich. Sag ihm, daß er in meiner Schuld steht!«
»Sag ihm?«
»Ja!«
»Hatte er einen Koffer dabei?«
    »Eine braune Tasche, passend zu seinem Liebesmantel. Eine Flugtasche.« »Wohin wollte er denn fliegen?«
    »Ich habe nicht gesagt, daß er fliegen wollte!« »Du hast Flugtasche gesagt.« »Hab ich nicht. Hab ich nicht.«
    »Nadia. Mutter. Hör mir zu. Die Polizei hat alle Flug- und Passagierlisten überprüft, die es gibt. Keine Spur von ihm. Wie kann er geflogen sein, ohne daß die es mitbekommen haben?« Sie riß sich los und fuhr zu ihm herum. »Genau das hat er gesagt! Er hat recht! Du arbeitest mit der Polizei zusammen!« »Ich muß ihm helfen, Mutter. Er braucht mich. Das sagt er selbst. Wenn ich ihn nicht finde und du weißt, wo er ist, wird man uns das zur Last legen.«
    »Ich weiß nicht, wo er ist! Er ist nicht wie du, er erzählt mir nichts, das ich verraten könnte! Laß los, du tust mir weh!« Erschreckt über sich selbst, zog Oliver sich hastig von ihr zurück. Sie wimmerte: »Na schön, na gut. Sag mir, was du wissen willst, und laß mich in Frieden.« Dann versagte ihr die Stimme. Er ging wieder zu ihr und nahm sie in die Arme. Er legte seine Wange an ihre und spürte die klebrigen Tränen. Sie unterwarf sich ihm, wie sie sich seinem Vater unterworfen hatte; teils triumphierte er, teils verachtete er sie wegen ihrer Schwäche. »Er ist seitdem nicht mehr gesehen worden, Mutter. Außer dir hat ihn niemand mehr gesehen. Wie ist er gegangen?«
    »Tapfer. Mit erhobenem Haupt. Wie ein richtiger Kämpfer.

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