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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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in ein Londoner Herrenhaus aus dem achtzehnten Jahrhundert, nur war es erst vor fünfzehn Jahren auf einem Dach gebaut worden. Oliver hatte noch nie hier übernachtet, noch nie hier gelacht, noch nie hier Geschirr abgewaschen oder gespielt oder mit einer Frau geschlafen. An einsamen Abenden hatte Tiger ihn gelegentlich kommen lassen, und dann hatten sie vor dem geisttötenden Fernseher gesessen und viel zu viel getrunken. Von hier in Erinnerung geblieben waren ihm sonst nur noch Tigers wütende Reden gegen die Stadtverwaltung, die ihm keine Genehmigung für einen Hubschrauberlandeplatz erteilen wollte, und einige Sommerpartys, die Katrina für all die Freunde ausgerichtet hatte, die Tiger nicht besaß:
    »Oliver! Nina, komm bitte mal her! Oliver, erzähl noch einmal diesen Witz von dem Skorpion, der über den Nil will. Aber langsam. Seine Hoheit möchte mitschreiben …«
    »Oliver! Darf ich dich mal für eine Sekunde von deiner entzückenden Begleiterin entfernen, mein Junge? Erkläre doch Seiner Exzellenz noch einmal die juristischen Grundlagen des Projekts, das du uns heute morgen so eloquent vorgestellt hast. Da wir jetzt unter uns sind, könntest du vielleicht eine etwas weniger verklemmte Terminologie verwenden …«
    Er stand im vorderen Flur, sein Unterleib schmerzte von Katrinas Liebkosungen. Alle Sinne in Flammen, rückte er weiter vor. Die Zimmer verwirrten ihn, er kannte sich nicht mehr aus, aber das war nur Katrinas Schuld. Er bog um eine Ecke und ging durch einen Salon, ein Billardzimmer, ein Arbeitszimmer. Wieder im Flur, durchwühlte er Mäntel und Regenjacken nach den von Brock so begehrten Papierfetzen. Auf dem Notizblock neben dem Telefon schien etwas in Tigers Handschrift zu stehen. Noch immer nach Katrina lechzend, schob er sich den Block in die Tasche. In irgendeinem Zimmer war ihm etwas aufgefallen, er wußte nur nicht mehr, in welchem. Er stand im Salon, wartete auf eine Eingebung und gab sich alle Mühe, nicht an Katrina zu denken: ihre Brust in seiner Hand, ihr Venushügel an seinem Oberschenkel. Dieses Zimmer war es nicht, dachte er und fuhr sich, um einen klaren Kopf zu bekommen, mit der Hand durchs Haar. Versuch´s mal woanders. Auf dem Weg ins Billardzimmer bemerkte er zwischen einem Lesesessel und einem Beistelltisch einen Papierkorb aus Leder und wußte plötzlich, daß er ihn eben schon gesehen hatte, freilich ohne seine Bedeutung zu Gegenstand: ein gepolsterter gelber Umschlag, leer, aber ausgebeult von dem, was einmal darin gewesen war. Olivers Blick wanderte zu zwei großen Schranktüren, die außen mit einem Bücherregal verkleidet waren. Sie standen halb offen, und dahinter waren übereinander eine Stereoanlage, ein Videogerät und ein Fernseher zu erkennen. Und als Oliver darauf zuhumpelte, einen Schuh an, einen aus, sah er an dem Videogerät ein grünes Pünktchen blinken, und auf dem Gerät eine weiße, unbeschriftete Kassettenhülle, die ebenfalls leer war. Olivers Kopf wurde klar, seine Begierde flaute ab. Hätte jemand BEWEISMATERIAL auf den Rücken der Kassettenhülle geschrieben und dazu einen Pfeil in Richtung des grünen Punktes gezeichnet, der Zusammenhang hätte nicht eindeutiger sein können. Weiteres Material ergeht mit gesonderter Post an Ihre Privatadresse. J. I. Orlow. Das Telefon klingelte. Für Tiger. Mirsky, der sich Münster nennt.
    Katrina, um zu sagen, daß sie raufkommen möchte, aber der Aufzug steckengeblieben ist.
    Der kahle Bernard, der seine Dienste anbieten will.
    Die Pförtner, um zu sagen, sie seien auf dem Weg nach oben. Brock, um ihm zu sagen, Oliver sei aufgeflogen und solle verschwinden.
    Er ließ es weiterklingeln. Kein Anrufbeantworter schaltete sich ein. Er drückte auf den Eject-Knopf, zog die Kassette heraus, schob sie in die weiße Schachtel und die Schachtel in den gepolsterten gelben Umschlag. »An Mister Tiger Single«, stand auf dem Etikett. Computerdruck. PERSÖNLICH, aber kein Hinweis auf einen Kurierdienst und auch kein Absender. Oliver humpelte auf den Flur und erblickte zu seinem Schrecken ein Photo von sich selbst aus früheren Jahren, in Anwaltsperücke und Talar. Er nahm eine Lederjacke aus der Garderobe und warf sie sich über die Schulter, dann klemmte er sich den gepolsterten Umschlag unter den Arm und verbarg ihn unter trat in den Lift und drückte nach kurzem schmählichen Zögern auf den Knopf fürs Erdgeschoß. Der Lift sank in dem ihm eigenen würdevollen Tempo abwärts. Oliver passierte die zwölfte und die elfte

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