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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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Vielleicht hat seine Seele das getan, aber es war sehr heiß da draußen. Wenn der Leichnam aus dem Haus getragen wird, werden die Uhren dreimal gegen ihren natürlichen Lauf zurückgedreht, der Tisch wird mit der Platte nach unten gedreht, alle Blumen werden entfernt, und mit dem Sarg wird dreimal an die Tür gestoßen, bevor er seine Reise antritt.«
    »Michails Leiche«, sagte Oliver, und sie bestätigte es,
    »Vielleicht sollten wir es dann tun«, schlug er vor und verbarg seine Erleichterung hinter lebhafter Entschlossenheit. »Bitte?«
    »Den Tisch mit der Platte nach unten drehen.«
    »Das war nicht möglich. Als sie gegangen waren, hatte ich allein nicht die Kraft dazu.«
    »Zusammen sind wir stark genug. Hier. Laß es mich machen. Ich könnte ihn doch einfach zusammenklappen.«
    »Ich erinnere mich, du bist sehr freundlich«, sagte sie und lächelte bewundernd, als er die Ständer unter dem Tisch zusammenklappte und dann das Ganze verkehrt herum auf den Boden legte.
    »Vielleicht sollten wir auch die Blumen wegräumen. Wo ist ein Besen? Wir brauchen Besen und Kehrblech, damit geht´s am besten. Wo bewahrst du die Bürsten auf?« Die Küche erinnerte ihn an die in Nightingales: ein hoher Raum mit Tragbalken und kaltem Steingeruch. »Zeig´s mir«, sagte er.
    Wie Nadia machte sie mehrere Schränke auf, ehe sie fand, was sie suchte. Wie Nadia brummte sie etwas von abwesenden Dienstboten. Sie gingen in das vordere Zimmer zurück, wo er das Kehrblech hielt, während sie mit fahrigen Bewegungen die Blumen darauffegte. Dann nahm er ihr den Besen fort und lehnte ihn an die Wand; er mußte sie wieder in die Arme nehmen, denn sie hatte wieder zu weinen angefangen, und diesmal schien es Oliver, daß die Kameradschaft zwischen ihnen Zoya wiederbelebt hatte und ihre Tränen jetzt Tränen der Erlösung waren. Und er gab ihr alles, was er hatte, um sie zu trösten - alle seine Gefühle, all sein Verständnis und seine ganze Willenskraft waren nur auf sie gerichtet. Das war unbedingt erforderlich, er durfte an nichts anderes denken, als sie aus dieser angespannten Starre sanft wieder ins Leben zu rufen: denn alles andere wäre darauf hinausgelaufen, sie beiseite zu schieben, sie ihren Tränen und Krämpfen zu überlassen und zu dem zweiten Küchenschrank von links zurückzurennen, in dem eine braune Tasche, passend zum deren Etikett in Tigers kühner Handschrift Mr. Tommy Smart geschrieben war, schlaff zwischen schimmligen Stiefeln, Gummiüberschuhen und alten russischen Zeitungen lehnte. »Mein Vater ist von der Zeit verraten worden«, erklärte Zoya und riß sich von ihm los. »Und von Hoban.« »Wie ist das passiert?«
    »Hoban liebt niemanden und hat daher niemanden verraten. Wenn er verrät, ist er loyal zu sich selbst.«
    »Wen hat er verraten, abgesehen von dir?«
    »Er hat Gott verraten. Wenn er zurückkommt, töte ich ihn. Das
muß sein.«
»Wie hat er Gott verraten?«
    »Das gehört nicht zur Sache. Das darf niemand wissen. Paul hat Fußball sehr gern.«
    »Michail hat Fußball auch gern gehabt«, sagte Oliver; er erinnerte sich an die Kickerei auf dem Rasen, und wie Michail mit der Pistole im Stiefel nach dem Ball gesprungen war. »Wie hat Hoban Gott verraten?« »Das gehört nicht zur Sache.« »Aber du willst ihn dafür töten.«
    »Er hat Gott beim Fußballspiel verraten. Ich war dabei. Ich mag
Fußball nicht.«
»Aber du bist hingegangen.«
»Paul und Michail gehen zu dem Fußballspiel, das ist
verabredet. Hoban hat die Karten besorgt. Er hat zu viele
gekauft.«
»Hier in Istanbul?«
    »Es war abends. Der Vollmond stand über dem InönüStadion.« Ihr Blick verlor sich zum Fenster. Sie zitterte, und er nahm sie wieder in die Arme. »Hoban hat vier Karten gekauft, und deshalb gibt es ein Problem. Michail kann Hoban nicht leiden. Er möchte nicht, daß Hoban mitkommt. Aber wenn ich auch mitgehe, kann Michail nicht widerstehen, denn er liebt Fußballspiel gewesen. Ich hatte Angst. In das Inönü-Stadion gehen fünfunddreißigtausend Leute. Die kann man nicht alle kennen. Beim Fußball gibt es eine Halbzeit. In dieser Halbzeit gehen die Mannschaften raus und sprechen miteinander. Wir haben auch miteinander gesprochen. Wir hatten Brot und etwas Wurst mitgenommen. Für Michail auch Wodka. Jewgenij erlaubt Michail nicht viel Wodka, aber Hoban hat eine Flasche mitgebracht. Ich sitze ganz außen. Neben mir sitzt Paul, und dann kommt Michail. Und dann Hoban. Das Licht ist zu hell. Das Licht hat mir nicht

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