Untitled
»Diese Provisionen sind das Ergebnis früherer Verhandlungen auf höchster Ebene bei uns im Land. Daran ist nicht zu rütteln. Ist das deutlich genug?« Für Oliver ist es deutlich genug. Nach drei Monaten im Hause Single weiß er, daß die höchste Ebene im Land nicht billig ist. »Und die Zahlungsmodalitäten für diese Provisionen?« fragt er und versucht sich überlegener zu zeigen, als er sich fühlt. Hoban hat die Antwort an den Fingerspitzen seiner linken Hand und schnippt sie ihm Punkt für Punkt zu: »Die Hälfte zahlbar jeweils vor Ausführung von einem dieser Vorschläge. Nachträgliche Sonderzahlungen in zu vereinbarenden Abständen, je nach dem späteren Erfolg der einzelnen Projekte. Berechnungsbasis sind fünf Prozent der ersten Milliarde, drei Prozent aller darüber hinausgehenden Beträge; nicht übertragbar.«
»Und wir reden hier von US-Dollars«, sagt Oliver, entschlossen, sich von Milliarden nicht beeindrucken zu lassen.
»Dachten Sie, wir reden von Lira?«
Herzliches Lachen der Orlow-Brüder und ihres Anwalts Schalwa, als Massingham sich einschaltet und ihnen diese lustige Bemerkung ins Russische übersetzt, und Hoban richtet sein Pseudo-Amerikanisch auf das, was er als speziellen Vorschlag Nummer eins bezeichnet.
»Sowjetisches Staatseigentum kann nur der Staat veräußern, kapiert? Eiserner Grundsatz. Frage: Wem gehört heute das Staatseigentum der Sowjetunion?«
»Dem sowjetischen Staat. Logisch«, sagt Musterschüler Oliver. »Zweite Frage: Wer veräußert heute, in Übereinstimmung mit der neuen Wirtschaftspolitik, das sowjetische Staatseigentum?« »Der Sowjetstaat« - inzwischen ist ihm Hoban ausgesprochen zuwider.
»Dritte Frage: Wer ermächtigt heute zur Veräußerung des Staatseigentums? Okay. Antwort: der neue Sowjetstaat. Nur der neue Staat kann das Eigentum des alten Staats veräußern. Eiserner Grundsatz«, wiederholt er, der Ausdruck gefällt ihm. »Kapiert?«
Nun zückt Hoban zu Olivers Verwirrung ein Zigarettenetui samt Feuerzeug aus Platin, entnimmt dem Etui eine dicke gelbe Zigarette, die aussieht, als habe er sie seit seiner frühen Kindheit dort aufbewahrt, klappt das Etui zu und klopft die Zigarette beschwichtigend auf dem Deckel fest, um dann weitere verderbliche Schwaden in den schon vorhandenen Nebel zu blasen. »Die sowjetische Wirtschaft der letzten Jahrzehnte war eine Kommandowirtschaft, okay?« fährt Hoban fort. »Sämtliche Maschinen, Fabriken, Rüstungsgüter, Kraftwerke, Pipelines, Eisenbahnstrecken, Betriebsmittel, Lokomotiven, Turbinen, Generatoren, Druckerpressen, alles gehört dem Staat. Ob dieses Staatseigentum alt oder uralt ist, interessiert keine Sau. An Recycling war die Sowjetunion in den letzten Jahrzehnten nicht interessiert. Jewgenij Iwanowitsch ist im Besitz erstklassiger Schätzungen dieses Materials, Schätzungen, die auf höchster Ebene bei uns im Land erstellt wurden. Aufgrund dieser Schätzwerte hat er berechnet, daß gegenwärtig eine Milliarde Tonnen von hochwertigem Eisenschrott zur Verfügung stehen, die an interessierte Kunden abgegeben werden können. Nach solchem Material herrscht weltweit sehr starke Nachfrage. Können Sie mir folgen?«
»Insbesondere in Südostasien«, erklärt Oliver aufgeweckt, denn er hat erst kürzlich in einer Fachzeitschrift etwas zu diesem Thema gelesen.
Und dabei sieht er Jewgenij in die Augen, wie er es bereits mehrmals während Hobans Vortrag getan hat, und wundert sich über das Vertrauen in dessen Blick. Es scheint fast so, als fühle sich dieser alte Mann unwohl in seiner Umgebung und bekunde Oliver, der ebenso ein Neuling ist wie er selbst, mit Blicken seine Solidarität.
»In Südostasien herrscht in der Tat große Nachfrage nach hochwertigem Metallschrott«, räumt Hoban ein. »Vielleicht schicken wir das Zeug nach Südostasien. Keine schlechte Idee. Im Augenblick interessiert das keine Sau.« Mit einem beängstigenden Schnauben macht Hoban Nase und Rachen frei, bevor er einen endlosen vorfabrizierten Satz vom Stapel läßt: »Nötige Vorinvestition für speziellen Vorschlag betreffend Metallschrott sind zwanzig Millionen Dollar in bar, zu zahlen unmittelbar nach Unterzeichnung des Staatsvertrags zur Übertragung des exklusiven Verfügungsrechts über alle von augenblicklicher Lagerstätte und Zustand an Jewgenij Iwanowitschs Begünstigten. Das ist unabdingbar. Daran gibt´s nichts zu rütteln.«
Oliver schwirrt der Kopf. Von solchen Provisionen hat er bisher nur aus zweiter Hand gehört.
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